Donnerstag, 4. Januar 2018
Jo Nesbø „Durst“ (Ein Harry-Hole-Krimi 11)

Hämatophilie = das Verlangen nach Blut
(wörtl. "Blutliebe"; von griech. "haemato" = Blut und philia = Liebe)


Mit diesem Krimi schickt uns der Autor in die nächste Runde mit dem Kommissar Harry Hole. Dieser ist schon eine Weile nicht mehr als Ermittler im Dezernat für Gewaltverbrechen tätig. Um etwas Abstand von der selbstzerstörerischen Routine eines Kriminalkommissars zu bekommen und sich mehr seiner Familie zuzuwenden, unterrichtet er zukünftige Polizisten an der Osloer Polizei Hochschule. Unter denen ist auch sein Stiefsohn Oleg, für den Harry stets ein Vorbild war. Und plötzlich fällt seine Frau Rachel aus unerklärlichen Gründen in ein Koma und katapultiert ihn selbst in einen Zustand der Verzweiflung.

Da kommt ihm der aktuelle Mordfall gerade recht. Der lässt den eingefleischten Ermittler die Füße nicht stillhalten. Denn selten in seiner Laufbahn hat es sich um ein so scheußliches Verbrechen gehandelt wie in diesem Fall. Eine junge Frau, die über das Dating Portal “Tinder“ einen Partner zu finden sucht, wird auf bestialische Weise ermordet. Nach ersten Untersuchungen findet man heraus, dass die Spuren am Hals der Toten auf eine Bissverletzung hindeuten. Diese wurde ihr mit einem Eisengebiss zugefügt und das Blut danach aufgefangen. Allem Anschein nach hat der Täter anschließend die Flüssigkeit mit Zitronensaft vermischt zu sich genommen.

Innerhalb kürzester Zeit kommt es zu weiteren Morden an Frauen. Die „Vampiristenmorde“, wie sie fortan genannt werden, halten die Osloer Kriminalpolizei in Atem. Ein inoffizielles Ermittlerteam wird gebildet. Zusammen mit dem neuen Polizeipsychologen, einem Mitglied der Spurensicherung und einem jungen Polizisten, dem Neuen im Dezernat, macht sich Harry Hole auf die Suche. Die Identität des Mörders scheint schnell geklärt, nur das Auffinden des bei allen bekannten Täters erfordert Zeit und Fingerspitzengefühl.

Jo Nesbø ist in seinen Beschreibungen des Schrecklichen keinesfalls zimperlich, lässt kein blutiges Detail aus. Dennoch konzentriert er sich in seiner Erzählung auf die umfangreiche Polizeiarbeit. Diese ist immer schlüssig und logisch und für den Leser absolut nachvollziehbar. Mit einer Spannung, die zu keiner Zeit nachlässt, führt er uns an der Hand durch jeden Ermittlungsschritt, ab und an gerne aber auch auf eine falsche Fährte. Mit kleinen Andeutungen und augenscheinlichen Zufällen schubst er uns in Richtungen, nur um uns bald wieder auf einen neuen Weg zu schleudern. Mit seinem Ermittler Harry Hole hat Jo Nesbø einen unangepassten, nicht immer sympathischen Protagonisten geschaffen, dessen Fehler und Unaufrichtigkeiten man ihm am Ende doch verzeihen kann; einen „Helden“ mit Schwächen aber gutem Herz.

Ein Krimi, nicht für zart besaitete Seelen, eine absolute Leseempfehlung aber für alle anderen!


Ebenfalls hier im Blog:
“Koma“


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Dienstag, 21. November 2017
Oliver Bottini „Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens“
2014. Die östlichen Regionen Deutschlands und Europas sind weiterhin im Wandel begriffen. Während die neue demokratische Regierung Rumäniens noch damit beschäftigt ist, die ehemaligen Verbindungsmänner Ceausescus zu finden und vor Gericht zu stellen, werden weiterhin die riesigen Agrarflächen, die den Bauern eigen waren, an meistbietende Investoren aus dem Ausland verschachert. Und während die einen sich in die großen Veränderungen einzufügen versuchen, halten andere an ihrem Protest fest, kämpfen weiterhin gegen die Vermarktung ihres Landes, gegen Globalisierung und Monokulturen.

Jörg Marthens, Agrarwirt aus Prenzlin, hatte sich recht bald nach der Wende schon seinen Traum eines großen Betriebes erfüllt. Mit Frau und Tochter war er nach Rumänien gekommen und hatte damals viele Hektar Ackerland einigen Bauern abgekauft, die Böden neu aufgearbeitet, um im großen Stil anzubauen. Den Landwirten und ihren Familien sicherte er Arbeitsplätze in seinem Betrieb zu. Etwa 15 Jahre später ist er längst einer der Großindustriellen und die Landpreise sind ins unermessliche gestiegen. Trotz großzügiger Angebote von Österreichern, Arabern und Libanesen lehnt er einen Verkauf ab und geht seinen Weg.

Dann wird seine Welt plötzlich auf den Kopf gestellt. Seine Tochter Lisa wird Opfer eines Verbrechens. Vergewaltigt und mit etlichen Messerstichen zugerichtet wird die junge Frau tot am Seeufer in der Nähe des großen Hofes gefunden. Ihr jugendlicher Freund Adrian ist seitdem verschwunden.

Ioan Cozma indessen ist bei der Kriminalpolizei fast am Ende seiner Karriere angelangt. Er und sein Kollege Cippo „fahren einen ruhigen Gang, überlassen gerne das Feld den Jüngeren“. Doch dann werden sie auf diesen Mordfall an einer Deutschen angesetzt und müssen sich fragen, warum ausgerechnet sie ausgewählt wurden. Widerwillig nehmen sie also noch einmal die Fährte nach einem Mörder auf, und danach, später, das haben sie sich geschworen, werden sie eine gemeinsame Kreuzfahrt unternehmen.

Dem Autor Oliver Bottini gelingt es in diesem Krimi nicht nur, mir die politische Situation in der Post-Ceausescu-Ära sachlich näher zu bringen, sondern zeigt an menschlichen Tragödien die Folgen, die die Globalisierung den Menschen, nicht nur in Rumänien, beschert hat. Die meisten seiner Figuren sind Betroffene und Geschädigte, in der einen oder anderen Weise, und nicht immer lässt sich Gut und Böse so klar voneinander trennen. Taucht tief in ihr Seelenleben ein und lässt sie auf diese Weise authentisch werden.

Die komplexen Geschehnisse werden von verschiedenen Perspektiven aus mit viel Einfühlungsvermögen beleuchtet. Am Ende bezieht der Autor aber auch ganz klar Stellung. Und das ist gut so! Denn Oliver Bottini hat etwas zu sagen, hat eine Meinung und scheut sich nicht, den Finger in eine große Wunde zu legen. Denn obwohl es oberflächlich nach großem Wandel aussieht, ist mit Korruption, Intrigen und Unterdrückung vieles geblieben wie es war; im Buch „die rumänische Krankheit“ genannt.

Keine Zeit wird dem Leser gewährt, sich langsam in die Geschichte einzulesen, sondern der Autor wirft ihn mit voller Wucht in eine Geschichte, die an rasanter Spannung keinen Moment nachlässt bis zum Ende des Buches. Sprachlich meiner Meinung nach noch weiter entwickelt, flüssiger geworden; die Sätze weicher, emotionaler und atmosphärischer, macht es den Roman für mich zum großen Leseerlebnis.

Nur selten in einem Krimi bewahrheitet sich der Spruch: „Lesen gefährdet die Dummheit! “ Nach dieser Lektüre allerdings, ist sie nicht nur gefährdet, sondern gar ein Stück gewichen. Vielen Dank Oliver Bottini!



Ebenfalls hier im Blog:
Oliver Bottini:“ Im weißen Kreis“
Oliver Bottini „Ein paar Tage Licht“


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Donnerstag, 9. November 2017
Jan Costin Wagner „Sakari lernt, durch Wände zu gehen“
Das Haus am See ist eine Idylle. Hier kann Kriminalkommissar Kimmo Joentaa mit seiner Tochter Sanna den Urlaub genießen. Sanna hat ihre Freundinnen eingeladen, sie baden im See, naschen Kekse und sind ausgelassen und fröhlich. In der Nacht, die sie gemeinsam verbringen werden, wollen sie den Mond vermessen und keine Minute schlafen. Kimmo mag es, die Heiterkeit der Mädchen zu beobachten. Nicht wissend, dass ungefähr zeitgleich auf dem Marktplatz in der nahe gelegenen Stadt Turku ein junger Mann erschossen wird. Er heißt Sakari und war eben nackt in den Brunnen gestiegen, mit einem Messer in der Hand. Schaulustige versammeln sich um ihn herum.

Kurze Zeit später ist Sakari tot; erschossen vom diensthabenden Polizisten Petri Grönholm. Der Schütze ist ebenso erschrocken über den Hergang der Situation wie die Beobachter, dass er wie vernebelt in sein Auto steigt, um bei seinem Freund und Kollegen Kimmo Joentaa Rat zu suchen. Immer wieder hört er in Gedanken die letzten Worte des jungen Mannes: „Ich bin ein Engel, lass mich einfach nur ein Engel sein!“

Der Autor spielt hier ganz geschickt mit den Divergenzen, den Gegensätzlichkeiten in Allem. Leben und Tod, Freude und Leid liegen in diesem Roman ganz dicht beieinander; scheinen durch eine unsichtbare Wand miteinander verbunden. In wechselnden kleinen Sequenzen lässt er die jeweiligen Gegenpole sich vermischen und in seiner Bedeutung verstärken. Dies wird auch deutlich, wenn Jan Costin Wagner die Welt in zwei sich gegenüber stehenden Farben weiß und blau beschreibt oder aber dem fröhlichen Gelächter der spielenden Kinder den Tod des jungen Sakari entgegensetzt.

Der Autor verzichtet sowohl auf lange Dialoge, als auch auf detailreiche Beschreibungen der Polizeiarbeit. Allein über das, was nicht gesagt wird und darüber, wie er seine Figuren agieren lässt, versteht der Leser und ist schnell in der Atmosphäre gefangen.

Mit einer außergewöhnlich poetischen Sprache wird diese Geschichte erzählt, die man nicht unbedingt dem Genre Krimi zuordnen würde. Der Autor überrascht mich ein weiteres Mal mit seinem emotionalen Ausdruck und seine Fähigkeit, mich mit seinen Worten direkt ins Herz zu treffen. Manche Sätze sind so schön, dass man sie immer wieder lesen möchte, die Ereignisse so bildhaft geschildert, dass eine Leseunterbrechung unmöglich ist.

„Gestern haben die Tränen gefehlt. Es sind keine großen Tränen, keine, die die Wangen hinab laufen, sind Tränen, die die Augen benetzen. Feuchte Augen, zuverlässig feuchte Augen, Morgen für Morgen, bei jedem Erwachen, seit vier Jahren, seit dem Tag, an dem………….“ (Zitat Seite 195)

Die Reihe um den sympathischen Kommissar Kimmo Joentaa gehört für mich zum Besten, was die Krimiszene zu bieten hat. Die Menschen und das Leben stehen hier im Fokus. Und der Tod. Und dann kann es schon vorkommen, dass auch meine Augen bei der Lektüre nicht ganz trocken bleiben.



Ebenfalls hier im Blog:

Jan Costin Wagner „Tage des letzten Schnees"
„Heimische Arten“ Teil 1: Jan Costin Wagner



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Freitag, 8. September 2017
Friedrich Ani „Ermordung des Glücks“
Ein stürmischer Herbstabend im November: der elfjährige Lennard verlässt die Turnhalle seiner Schule. Wütend darüber, dass man sein Fahrrad gestohlen hat, macht er sich mit schwerem Ranzen und seinem Ball zu Fuß auf den Weg nach Hause. Dort kommt er nicht an, kommt niemals mehr an. Erst Wochen später wird die Leiche des Kindes gefunden.

„So etwas, Herr Franck, wär meinem Neffen nie passiert. Lennard hat gespürt, dass er ein geborgener Mensch ist, egal, für was er sich im Leben entscheidet, und dass er nicht verloren geht, nicht in der dunkelsten Nacht. Und ist trotzdem verlorengegangen.“ (Zitat Seite 93)

Man bittet den ehemaligen Hauptkommissar Jakob Franck, den Eltern die Todesnachricht zu überbringen. Diese Aufgabe hatte er in seinen Dienstzeiten bereits regelmäßig übernommen und galt als „polizeilicher Hilfsdienstleister und Zuhörer in Notzeiten“ (Seite 219). Sein ehemaliger Kollege erhofft sich weitere Unterstützung und Beratung von Seiten des Pensionärs. Weil dieser über viel Einfühlungsvermögen und ein gewisses Gespür verfügt, soll er sich noch einmal mit den letzten Stunden im Leben des Jungen auseinandersetzen.

Franck führt also wieder viele Gespräche, hört aufmerksam zu, fühlt sich ein und setzt niemanden unter Druck; lässt die Leute erzählen, auch über das Thema hinaus und lässt ihnen Raum für ihre Trauer, ihre Gefühle. Und trotz allem scheint er dem Fall nicht näher zu kommen, denn immer wieder wird er mit dem eigenen Verlust, den er als Kind erfahren hat, konfrontiert. Als Indizien bleiben lediglich das gestohlene Fahrrad, der verwaiste Fußball unter einer Bank auf dem Spielplatz, ein Verkehrsunfall in der Nähe und ein schräg geparktes Fahrzeug. Bis aber Jakob Franck eine zündende Idee kommt, drohen die Ermittler zu verzweifeln und das Unglück seinen Lauf zu nehmen.

Ein zweites Mal überrascht mich der Autor Friedrich Ani mit einer ganz anderen Art des Kriminalromans. Der stupiden Polizeiarbeit der Kriminalisten, die auch sprachlich eher einer sachlich kühl ausgeführten Akte oder einem Zeitungsartikel gleicht, steht die Vorgehensweise des Kommissars a.D. Franck mit all seinen Emotion und Anteilnahme gegenüber. Hier geht es nicht in erster Linie um die Aufklärung eines Falles, vielmehr um die Folgen, die der Verlust eines Kindes in dessen weiten Umfeld nach sich zieht. Ani zeigt, dass nach einer solchen Tat für kaum einen die Welt bleibt wie sie war. Er kommt gänzlich ohne reißerische oder gar blutige Darstellungen aus und vermag den Schrecken anhand der Psychologie des Menschen zu beschreiben.

Als Leser war ich ganz nah dabei. Ich habe mitgerätselt, habe mitgetrauert, war ebenfalls verzweifelt, streckenweise ratlos, bin mit dem Protagonisten durch kalte stürmische Nächte geschritten und habe gegrübelt über den Fall und über die Menschen um den elfjährigen Lennard herum.

Die Krimis von Friedrich Ani sind anders, authentischer und glaubhafter. Im Mittelpunkt dieses Romans stehen letztendlich die menschliche Tragödie und das Verschwinden des Glücks.


Ebenfalls hier im Blog rezensiert:
Friedrich Ani “Der namenlose Tag“ Hörbuch

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Dienstag, 4. Juli 2017
Jo Nesbø „Koma“ (Ein Harry-Hole-Krimi 10)
Ein Mann liegt im Koma. Seine Identität ist unbekannt, bewacht durch einen Polizisten vor der Tür des Krankenhauszimmers. Unterdessen kommt es in Oslo zu abscheulichen Morden. Das Muster, nachdem diese Morde begangen werden, ist schnell gefunden: Sie finden allesamt an Tatorten statt, an denen es in den letzten Jahren zu Gewaltverbrechen kam, die nicht aufgeklärt wurden. Handelt es sich hier um einen Racheakt eines Angehörigen, will der Täter hier auf die Missstände bei der Polizei aufmerksam machen? Denn die aktuellen Opfer sind Gesetzeshüter, die damals an den Ermittlungen beteiligt waren. Einige davon auch aus dem Team des Kriminalkommissars Harry Hole. Dieser wird im Präsidium bei den Ermittlungen schmerzlich vermisst; gut hätte man seine Sicht auf die Dinge und die ungewöhnliche Herangehensweise an einen Fall, die für den unkonventionellen Hole so typisch waren, gebrauchen können. Seine Unterstützung fehlt an jeder Stelle.

Jo Nesbø lässt hier wie immer keine Wünsche offen, hält den Leser in Atem von der ersten bis zur letzten Seite. Abgesehen von den überaus scheußlichen Morden und den Beschreibungen der Toten schreckt der Autor nicht davor zurück, auch Hauptfiguren über die Klinge springen zu lassen. Der norwegische Polizeiapparat wird hier nicht als eine Truppe Helden der Nation verstanden, sondern Nesbø beschreibt alle darin authentisch und absolut menschlich. Da werden Fehler begangen, andere sind korrupt, wieder andere nehmen es mit Wahrheit und Gesetz nicht ganz so genau. Und der Leser ist ganz dicht dabei. Sprachlich unterscheidet sich Jo Nesbø meiner Meinung nach erheblich von dem üblichen Thriller-Slang und überrascht immer wieder mit tiefgründigen, gar poetischen Sätzen.

Als sei man selbst ein Teil des Ermittler-Teams schickt uns der Autor auf viele verschiedene Spuren, die das eine oder andere Mal in eine Sackgasse führen. Er ist ein Meister darin, uns an der Nase herum zu führen, uns miträtseln zu lassen und uns in einer Lesepause den Kopf zerbrechen zu lassen über das, was in der Geschichte geschieht. Nicht wenige Male bezieht sich Jo Nesbø auf vorherige Fälle um Hauptkommissar Harry Hole. Zum besseren Verständnis hilft ein Glossar am Ende des Buches, in dem die vielen Namen der Beteiligten noch einmal nachgelesen werden können.

Ich kann nur jedem raten, einmal einen Kriminalroman von Jo Nesbø zu lesen und sich mitten hinein zu begeben in seine Ermittlergruppe, Teil des Teams zu werden! Absolut lesenswert!



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Montag, 10. April 2017
Takis Würger „Der Club“
Nachdem Hans seine Eltern verloren hat, er danach eine Zeit lang im Internat verbringt, holt ihn seine Tante Alex nach England und beschafft ihm einen der begehrten Studienplätze in Cambridge. Sie brauche seine Hilfe, hatte sie gesagt, als sie nach Monaten Kontakt zu ihm aufgenommen hatte. Aber auch in Cambridge bleibt Hans vorerst einsam, denn Alex‘ Fürsorge gestaltet sich anders, als es sich der junge Mann vorgestellt hat. Zunächst fühlt Hans sich fremd in dieser für ihn neuen Welt, doch dann tritt er dem dortigen Box-Club bei und findet Anschluss zu anderen Studenten.

Über die unterschiedlichsten Beziehungen, die seine Tante spielen lässt, wird “der Deutsche“, wie man ihn nennt, in den berühmten Pit Club aufgenommen; eine der vielen sogenannten Bruderschaften. Und schon bald findet Hans sich in einer elitären und überaus snobistischen Gesellschaft wider. Er, ein junger Mann aus einfachen Verhältnissen inmitten reicher junger Männer, die allesamt anderes im Sinn haben, als zu studieren. Gerade als er denkt, wirklich Freunde gefunden zu haben und irgendwie dazu zu gehören, erfährt er von einem Verbrechen, dass dort verübt wurde und bei dessen Aufklärung er behilflich sein soll.

Aus verschiedenen Perspektiven erzählt Takis Würger in seinem Debüt diese kleine Geschichte (klein, kurz aber inhaltsschwer) und wirft damit die Frage auf, wie weit man bereit ist für die Wahrheit zu gehen. Jede einzelne Figur kommt zu Wort und trägt am Ende zum Gesamtbild bei. Der Autor baut die Spannung langsam auf. Wie dem Protagonisten selbst, wird auch dem Leser nur allmählich klar, um was es hier eigentlich geht. Ist die berühmte Katze erst mal aus dem Sack, ist das Verbrechen auch schnell geklärt.

Die einzelnen Charaktere und was in den Figuren wirklich vor sich geht, bleibt leider an der Oberfläche, die einzelnen Wesenszüge zu kurz angerissen, um einen guten Eindruck der Personen zu erhalten. Die Geschichte selbst, so dramatisch und aufwühlend sie auch ist, ist zu schnell erzählt, als dass man sich in das Buch so richtig hineinfallen lassen kann. Kaum hat man ein Gespür für die Umgebung, die Menschen und deren Tun bekommen, ist der Roman schon am Ende.

Das Buch hatte es bei mir deswegen schwer, weil es in den Medien schon seit Monaten überall beworben und gelobt wurde und die Erwartungshaltung dementsprechend hoch war. Vielleicht ist das der Grund für meine leichte Enttäuschung.

Trotz allem empfehle ich diese Kriminalgeschichte, weil kurzweilig, spannend und interessant!



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Dienstag, 7. Februar 2017
Gisa Klönne „Die Toten, die dich suchen“
Sie können es noch, beide, Gisa Klönne das Krimischreiben und Judith Krieger das Ermitteln!

Vier Jahre ist es her, da wollte Kriminalkommissarin Judith Krieger alles hinter sich lassen: die Mordkommission, ihre Arbeitskollegen, Köln, ihre verzwickten Familienverhältnisse und eigentlich auch sich selbst. Nach Kolumbien hatte es sie verschlagen. Doch bald schon ist sie nach Deutschland zurückgekehrt. Es sollte jedoch noch einmal Jahre dauern bis sie, nach langer Fortbildungszeit, die leitende Stellung in der Vermisstenabteilung der Kriminalpolizei Köln annimmt. Zunächst unsicher und mit einigen Unwägbarkeiten beginnt sie ihren neuen Job und wird bald doch wieder zu Ermittlungen eines Mordes hinzugezogen. Spätestens jetzt weiß Judith, dass sie letztendlich allem entfliehen kann, jedoch nicht sich selbst und nicht den Toten.

Ein kolumbianischer Geschäftsmann wird, nachdem als vermisst gemeldet, tot, gefesselt und offensichtlich gefoltert in einem leer stehenden Gebäudekomplex gefunden. Das neue Team um Krieger herum will noch nicht so recht funktionieren, was die Ermittlungen zunächst erschwert. Lange Zeit bleibt zweifelhaft, was das Opfer nach Köln geführt hat, von wem das Blut und das schwarze Haar, was am Tatort gefunden wird, stammt und was ein gewisser Übersetzer und Bekannter des Opfers mit all dem zu tun hat. Weiterhin wird eine junge Frau, kolumbianischer Herkunft, von ihrer Freundin als vermisst gemeldet. Es gibt also viel zu tun!

Und so gerät die sonst so stark wirkende Kriminalkommissarin nicht nur wieder in einen Mordfall, sondern kämpft auch gegen ihre eigenen Geister, die sie in Kolumbien zurückgelassen zu haben glaubte.

Nicht, dass dieser lang erwartete sechste Fall um Judith Krieger langsam und zaghaft beginnt, nein, die Autorin stürzt den Leser, ihrer Protagonisten gleich, geradezu kopfüber in den nächsten spannenden Kriminalfall; weit weg nach Kolumbien, in Drogenkriege und Korruption. Sie nimmt uns mit tief in die Seele und Gedanken der Kommissarin und lässt uns so begreifen, dass es wichtig ist, stets über den eigenen Tellerrand hinwegzuschauen. Mit allen Sinnen und äußerst empathisch beschreibt sie Situationen und die verschiedenen Charaktere.

Von der ersten Seite an hat mich dieser Krimi gefesselt und überzeugt und so hat sich das lange Warten gelohnt. Wieder einen Roman aus dieser Reihe zu lesen, fühlt sich ein bisschen an wie nach Hause kommen und alte Bekannte wieder zu treffen!


Wir dieses Buch nicht liest, ist selbst schuld!


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Dienstag, 7. Juni 2016
Stephen King “Finderlohn“
Stellen Sie Sich vor, Sie vergraben Ihr Diebesgut an einem vermeintlich sicheren Ort und werden dann aufgrund eines anderen Vergehens für die nächsten 30 Jahre inhaftiert. Das einzige, was Sie in dieser Zeit nicht verzweifeln lässt, ist der Gedanke an Ihren „Schatz“, der auf sie warten wird. So erging es Morris Bellamy, dem Protagonisten dieses Romans, in den siebziger Jahren.

Jetzt stellen Sie Sich weiter vor, Sie sind ein 13-jähriger Junge, dessen Familie aufgrund finanzieller Probleme zu zerrütteten droht, und Sie finden einen vergrabenen alten Koffer. In diesem befinden sich ein paar Umschläge mit mehreren 1000 $ und etliche Notizbücher eines bekannten Schriftstellers, der vor etwa 30 Jahren durch Mord ums Leben gekommen war. Dies widerfährt Pete Saubers, einem weiteren Protagonisten dieses Romans, in den 2000 Jahren.

Und wie es das Schicksal (bzw. der Autor) will, treffen die beiden Figuren bald aufeinander. Der mittlerweile 70-jährige Bellamy ist rasend vor Wut und will unter allen Umständen seinen „Besitz“ zurück, koste es was es wolle. Auf seinem Weg zu diesem Ziel zerstört er gnadenlos alles, was sich ihm in den Weg stellt.

Auch wenn Stephen King dem echten Horror abgeschworen hat und sich jetzt eher im Thriller Genre bewegt, so bleibt er doch bei dem, was seine Romane ausmachen. Es geht wie immer um Mord und Totschlag und weil das an sich nicht genug ist, wird dies äußerst genau beschrieben. Bis ins kleinste Detail werden die ekeligsten Ereignisse dargestellt und dem Leser so jeglichen Raum für Fantasie genommen. Da tropft das Blut, da schwingt das Beil, da riecht es nach verwesendem Fleisch. Und wer Bücher von diesem Autor kennt, der weiß außerdem: es geht nicht ohne mindestens einen total durchgeknallten Typen.

King lässt seinen psychopathischen Protagonisten Bellamy in grober und brutaler Sprache agieren, nicht ohne fäkale Ausdrucksweise hier und da. Ansonsten verzichtet der Autor auf lange komplizierte Sätze, schreibt einfach und fließend, dass man sich ganz auf Inhalt und die fesselnde Spannung konzentrieren kann.

Wegen der extremen Gewaltszenen ist dieser Roman absolut NICHT jugendfrei! Aber: wer erwachsen ist, bei klarem Verstand und das Ganze mit einem Augenzwinkern lesen kann, der findet mit diesem Buch gute und kurzweilige Unterhaltung. Spannend von der ersten Seite an bis zum bitteren Ende. Ein typischer Stephen King eben! ;-))

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Mittwoch, 9. Dezember 2015
Alexander Söderberg “Der zweite Sohn“
Die Geschichte um Sophie Brinkmann und dem Oberhaupt des Drogenclans Hector Guzman geht weiter. 2013 erschien Band 1 “Unbescholten“ der als Trilogie angelegten Story. Dort trifft die Krankenschwester Sophie Hector Guzman, den Chef eines Drogenkartells. Sie verliebt sich in ihn und wird in die kriminellen Machenschaften der mächtigen Familie hineingezogen.

In diesem zweiten Band liegt Hector nach einer Schießerei im Koma und wird vor seinen Widersachern an einem geheimen Ort in Spanien versteckt. Sophie übernimmt im Auftrag von Hektors Leuten die Verhandlungen mit konkurrierenden Drogenbossen, die das Guzman-Unternehmen übernehmen wollen und die Auslieferung Hectors fordern. Sophie verhandelt auf eigene Faust und gerät im Guzman-Kartell unter den Verdacht des Verrats. Als ihr Sohn Albert entführt wird, steht sie alleine gegen ihre mächtigen Gegner.

Diese Geschichte in diesem Kriminalroman schließt nahtlos an den ersten Band an. Aber mit zwei Jahren und vielen gelesenen Büchern Abstand ist es für den Leser außerordentlich schwierig den Anschluss zu finden. Zu viele Schauplätze, zu viele Akteure, zu viele Handlungsstränge müssen erinnert werden, wieder an die erste Geschichte anzuknüpfen und deren Verlauf zu verstehen. Es ist äußerst mühsam, hinter jedem Namen die Figur aus dem ersten Buch zu entdecken.

Bis zum Ende des Krimis hat man doch einigermaßen wieder alle und alles an seinem Platz, aber sollte es bis zu Bd. 3 wieder zwei Jahre dauern, befürchte ich wird die Sache noch schwieriger!


Rezension zu Bd.1 “Unbescholten“:
http://buchlesetipp.blogger.de/stories/2326350

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Freitag, 13. November 2015
Christoffer Carlsson “Der Turm der toten Seelen“
Früher waren sie Freunde, der heutige Polizist Leo Junker und der Kleinkriminelle John Grimberg, genannt Grim. Da wohnten sie in einem Hochhauskomplex in Salem, einer Kleinstadt in der Nähe von Stockholm. Sie gingen in dasselbe Gymnasium und verbrachten ihre Freizeit auf dem Dach des am Stadtrand gelegenen Wasserturms. Dort führten sie lange Gespräche, tranken das eine oder andere Bier und ließen ihre Blicke über die Stadt schweifen. Es war eine schöne Zeit doch was dann geschah sollte an beiden nicht spurlos vorübergehen.

An diesen Abschnitt seines Lebens erinnert sich jetzt Leo Junker, als in der Wohnung unter ihm eine junge Frau tot aufgefunden wird. Die Wohnung diente als Zuflucht für drogenabhängige und wohnungslose Menschen. Obwohl derzeit beurlaubt wegen seiner Angstzustände und psychischen Labilität, mischt sich Leo ein und besichtigt den Tatort. Der Anblick der leblosen Frau bringt ihm die Erinnerung an die damalige Zeit zurück. Die Tote hält eine Halskette fest in ihrer Hand, eben diese, die Grims Schwester Julia gehörte.

Immer tiefer verstrickt sich der junge Polizist in diesen Fall, bei dem sich Gegenwart und Vergangenheit alsbald vermischen und ihn immer weiter in seine Sucht nach Beruhigungsmittel treibt. So sehr er sich auch bemüht bei seinen heimlichen Ermittlungen, so kommt er der Lösung kein Stück näher. Und sein alter Freund John Grimberg, den er fünfzehn Jahre nicht gesehen hat, scheint spurlos verschwunden. Doch dann erhält Leo eine rätselhafte SMS.

Der junge schwedische Autor Christoffer Carlsson legt mit diesem Roman den Grundstein für eine neue Kriminalreihe. Er entwickelt einen geschickt konstruierten Fall, dessen Handlungen nicht immer exakt nachzuvollziehen sind. Aber die ungeheure Spannung, die der Autor erzeugt, macht kleine Ungereimtheiten allemal wett. Die persönliche Verwicklung des Protagonisten in den Fall ist gleichermaßen außergewöhnlich wie interessant. Am Ende fügen sich die unterschiedlichen Zeitperspektiven aus Vergangenheit und Gegenwart gekonnt ineinander.

Ein Buch, gerade richtig für dunkle Winterabende mit Decke und Kätzchen auf dem Schoß. Eines, das man so schnell nicht mehr beiseitelegt, hat man einmal begonnen. Man darf sich also durchaus auf den zweiten Fall des Kriminalkommissars Leo Junker freuen.


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