Mittwoch, 3. Februar 2021
Håkan Nesser „Barbarotti und der schwermütige Busfahrer“
Übersetzung Paul Berf

2013 - Es ist der ganz normale Alltag bei der Kriminalpolizei Kymlinge, als ein Mann bei den Inspektoren Barbarotti und Backmann auftaucht und ihnen erzählt, er werde bedroht. Einige Briefe habe er erhalten und einen Anruf. Ein gewisser „Nemesis“ wünsche seinen Tod. Er habe dafür durchaus Verständnis. Ein Busunglück habe sich fünf Jahre zuvor ereignet, bei dem mehrere Menschen ihr Leben gelassen hätten. Er selbst sei der Busfahrer gewesen. Noch bevor Polizeischutz gewährleistet wird, geschieht etwas Unvorhergesehenes.

2018 - In diesem Herbst nehmen Gunnar Barbarotti und Eva Backmann, längst auch offiziell ein Paar, eine berufliche Auszeit. Eva hatte im Dienst von ihrer Waffe Gebrauch machen müssen und dabei einen Menschen getötet. Nichts, was man einfach so wegsteckt. Da kommt die Idee ihres Partners gerade recht, für 2 Monate ein Ferienhaus auf Gotland zu beziehen. Die Insel ist zu dieser Jahreszeit wenig belebt und so verspricht der Aufenthalt eine Menge Entspannung. Bei einem ihrer abendlichen Spaziergänge dort glaubt Barbarotti in einem Fahrradfahrer einen ihm wohlbekannten Mann zu erkennen. Von da an lässt ihn dieser eine Gedanke nicht mehr los: wer war dieser kleine bärtige Mann mit dem roten Fahrrad? Um dieser Sache nachzugehen, fordert er Akten eines alten Falles an. Es dauert nicht lange bis sich beide Kriminalisten kopfüber in die Ermittlungsarbeit stürzen.

Zwischen diesen beiden Zeitebenen springt der Autor hin und her und erzeugt damit eine immense Spannung. Obwohl wir Leser*innen einen Wissensvorsprung genießen, wir zwischendurch in privaten Aufzeichnungen lesen können, bringt uns das scheinbar dem komplizierten Fall kaum ein Stück näher. Das ist eine Stärke Håkan Nessers Schreiben, uns immer wieder im Unklaren zu lassen. Eine der Strategien, die er dafür benutzt, scheint er einer seiner Figuren geradewegs in den Mund zu legen:

„Wenn man schreibt, darf man den Leuten nicht alles unter die Nase reiben, erklärte Anders. Man soll sie in dem Glauben wiegen, dass sie intelligent sind und selbst die Schlussfolgerungen ziehen,…“ (Seite 404)

Für mich persönlich hat hier wieder alles gestimmt. Eine äußerst geschickt konstruierte Geschichte und Spannung bis zum Schluss. Die Figuren sind authentisch und sympathisch, zeigen sich auch mal nachdenklich (fast schon philosophisch) und verletzlich. Vor allem aber kommen sie äußerst menschlich daher. Besonderen Lesespaß bereiten außerdem das liebevoll, spritzige Geplänkel zwischen den beiden Kommissaren, das auch stets ein Quäntchen Ironie erkennen lässt.

Ein Krimi, der gänzlich ohne die gewohnten Thrillereffekte auskommt und durch psychologische Raffinesse besticht.


Weiteres vom Autor hier im Blog:
Der Fall Kallmann
Die Lebenden und Toten von Winsford Hörbuch
Himmel über London
Am Abend des Mordes


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