Dienstag, 3. November 2015
Oliver Bottini:“ Im weißen Kreis“
Die Protagonistin in diesem Roman ist die Kriminalkommissarin Louise Boni. Sie ist herrlich kompliziert mit einigen Ecken und Kanten. Unangepasst geht sie ihren eigenen Weg, lässt sich nicht gerne etwas sagen. Bei ihren Kollegen im Freiburger Dezernat gilt sie als stur und eigensinnig und ist für ihre Alleingänge bekannt. Aber Louise grübelt auch ab und an und obwohl sie “ihr Gedächtnis passabel auf Verdrängung eingestellt hatte“ (Zitat Seite 45), schleichen sich immer wieder Gedanken an die Toten in ihren Kopf. Gedanken an den lange verstorbenen Bruder und an ihren Mentor und früheren Chef Bermann. Sie scheint von Trauer und Einsamkeit umgeben und weil sie nicht mehr trinkt, damit alles besser zu ertragen ist, stürzt sie sich in die Arbeit.

In ihrem sechsten Fall, einem Fall, der am Anfang der Geschichte mitnichten einer ist, denn Louise hat lediglich den Hinweis eines verdeckten Ermittlers, dass zwei russische Waffen den Besitzer gewechselt haben, ermittelt sie zum ersten Mal unter dem neuen Chef Enders. Zunächst beschnüffeln sich beide, trauen sich noch nicht über den Weg, doch bald muss Louise Boni feststellen, dass sie auf einer Wellenlänge sind. Dennoch macht sie sich alleine auf den Weg. Die ersten Spuren führen zu einem Kreis von Neonazis. Was als schnöde Polizeiarbeit beginnt, wird bald zur Jagd auf ein überregionales rechtsextremistisches Netzwerk. Ganz schnell steigt die Zahl der Verdächtigen, doch keiner von ihnen lässt sich so richtig durchschauen. Louise Boni steht unklaren Aussagen, falschen Alibis und unglaublicher Arroganz und Überlegenheit gegenüber. Obwohl sie ein klares Bild vor Augen hat, auf wen der rechtsradikale Anschlag verübt werden soll, kann sie zunächst niemandem etwas beweisen. In ihr macht sich Machtlosigkeit und Ohnmacht breit. Man rät ihr zu Geduld, doch das ist nicht Louise Boni‘s Sache.

Oliver Bottini erzeugt mit seinen kurzen Sätzen in einem gewissen Stakkato-Stil eine unglaubliche Spannung. Er rast durch die Handlung, als fehle ihm die Zeit für einzelne kleine Worte. Und gerade das verdeutlicht den Hochdruck, mit dem die Ermittler hier arbeiten. Lediglich seiner Protagonisten lässt er alle Zeit für ihre Gedankengänge. Bottini labert nicht, redet nicht um die Dinge herum, sondern kommt mit jedem Satz auf den Punkt. Er hat etwas zu sagen. Sein Spiel mit Sprache und Ausdruck ist einzigartig!

Die gleiche Ohnmacht, wie sie die Protagonistin spürt, erfährt auch der Leser. Das Thema, gerade weil aktuell und allgegenwärtig, ist beängstigend, macht wütend und nachdenklich. Bottini trifft damit ins Schwarze macht aufmerksam auf die sich ausbreitende braune Gesinnung!


Mehr Informationen zum Autor:
http://www.bottini.de/

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Donnerstag, 28. Mai 2015
Jan Seghers: „Die Sterntaler Verschwörung“
Das Privatleben von Kriminalkommissar Robert Marthaler gerät aus den Fugen als seine geliebte Theresa seinen Heiratsantrag ablehnt. Außerdem lässt ihn ein Frauenmörder, der weiterhin auf freiem Fuß ist, nicht los. Da kommt ihm eine Abwechslung gerade recht. Eine Bekannte aus Hamburg vermisst ihre Freundin, die Journalistin Herlinde Scherer. Sie sei bereits vor Tagen schon nach Frankfurt abgereist, um in einer spektakulären Sache zu recherchieren. Anna könne sie telefonisch nicht erreichen und mache sich Sorgen. Lediglich der Name eines Hotels, in das sie absteigen wollte, ist Anna bekannt.

Als Marthaler in der unscheinbaren Unterkunft ankommt, findet er die Leiche der Journalisten. Doch noch bevor er etwas unternehmen kann, kommt ihm ein Kollege des LKA in die Quere. Axel Rotteck erklärt den Fall unmittelbar zur geheimen Landessache. Und weil der bissige Kommissar sich nicht gerne etwas verbieten lässt, ermittelt er ohne Erlaubnis seiner Chefin mithilfe seiner Sekretärin und des Kriminaltechnikers. Was Marthaler zu dieser Zeit noch nicht weiß: er begibt sich mitten in einen Pool politischer Intrigen und Korruption.

Und fast gleichzeitig beobachtet ein junger Mann in einem kleinen Ort in der Nähe von Frankfurt einen Motorradunfall. Am Unglücksort findet er einen Umschlag mit abscheulichen Fotografien nackter Kinder. Als plötzlich ein ortsansässiger Landtagsabgeordneter unter den Verdacht der Kinderpornographie gerät, weiß der junge Mann, dass er selbst in höchster Gefahr schwebt.

Der Frankfurter Schriftsteller Jan Seghers hat einen hochbrisanten Kriminalroman geschrieben, in dem es keinesfalls nur fiktiv zugeht. Die hessischen Leser unter uns werden sich an den umstrittenen Wahlkampf vor der Landtagswahl 2008 gut erinnern können. Der Autor greift hier Korruption und Machenschaften der Politiker auf. Sind die Namen der Figuren im Buch auch verändert, so lassen sich klar und deutlich Personen der Parteien darin zuordnen und erkennen. Die Intrigen und Manipulationen, die an höherer Stelle nicht unüblich sind, werden hier im Detail aufgezeigt und sollten zum Nachdenken anregen.

Der Leser begibt sich mitten in die akribische Polizeiarbeit der Ermittler, „arbeitet“ sozusagen mit im Team, sodass jeder Schritt leicht und klar nachzuvollziehen ist. Die einfache pragmatische Sprache lässt einen ganz auf den Inhalt konzentrieren und die Spannung der Geschichte steigt von Seite zu Seite.


Mehr zum Autor und seiner Werke hier im Blog:

http://buchlesetipp.blogger.de/stories/2364150
http://buchlesetipp.blogger.de/stories/2198248

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Donnerstag, 9. April 2015
Tana French: „Geheimer Ort“
Auf dem Gelände eines irischen Mädcheninternats wird die Leiche eines Jungen gefunden, eines Schülers der benachbarten Jungenschule. Der mutmaßliche Mörder wird zwar schnell gefasst, die Ermittlungen aber bald aus Mangel an Beweisen eingestellt.

Ein Jahr später wird der Fall neu aufgerollt. Neue Beweismittel in Form einer Karte mit der Aufschrift „ich weiß wer Chris Harper getötet hat“ sind aufgetaucht. Der junge ehrgeizige Detective Stephen Moran, bisher abgeschoben in die Abteilung „Ungelöste Fälle“, sieht hier seine Chance ins Morddezernat befördert zu werden. Ausgerechnet der umstrittenen Kollegin Antoinette Conway wird er unterstellt und muss ihr sich selbst und sein Können beweisen. Gewisse Umstände erfordern, dass beiden lediglich ein einziger Tag zur Aufklärung zur Verfügung steht.

Im Internat angekommen stehen sie ungewohnten Herausforderungen gegenüber. Acht junge Mädchen aus zwei verfeindeten Cliquen müssen befragt werden. Allesamt pubertierende, zickende Gören aus reichem Hause, die für sich lügen, sich gegenseitig schützen, intrigieren und so die Ermittler scheinbar an der Nase herum führen. Die zähen Befragungen, die auch dem Leser einiges an Geduld abverlangen, ergeben Steinchen für Steinchen ein Mosaik, dessen Bild erst spät im Buch vollständig erkennbar wird.

Diese Geschichte wird regelmäßig von einem zweiten Erzählstrang unterbrochen, in dem geschildert wird “was wirklich geschah“, die Zeit vor und nach dem Tod von Chris Harper.

Tana French überzeichnet ihre Figuren in Charakter und Sprache. Das voll-mega-echt-hallo?- Gerede der verwöhnten Teenager, sowie die gewollt proletenhafte Ausdrucksweise der Polizisten sind manchmal schwer zu ertragen. Auch die übertrieben pathetischen Beschreibungen unbedeutender Vorkommnisse lassen mich alles mit einem kleinen Augenzwinkern betrachten. Dem entgegen stehen das unglaublich psychologische Geschick der Autorin und ein Spannungsbogen, wie man ihn nur selten findet – Unterhaltung pur.

Der perfekte Krimi, um die Realität für ein langes Wochenende zu vergessen und vollkommen in die Welt von Tana French einzutauchen!

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Donnerstag, 11. Dezember 2014
Hakan Nesser: „Die Lebenden und Toten von Winsford“ Hörbuch
gelesen von Eva Mattes

Das schwedische Ehepaar Hollineck beschließt, ihrer Heimat den Rücken zu kehren, um einige Monate in Marokko zu verbringen. Sie ist eine nicht ganz unbekannte Nachrichtenmoderatorin, er ein nicht ganz unbedeutender Schriftsteller Schwedens. Seinem Verleger verspricht Martin Hollineck bei Rückkehr einen fulminanten Roman. Das Zuhause in der Nähe von Stockholm für die Zeit in gute Hände gegeben, macht sich das Ehepaar auf den Weg ins sonnige Marokko.

Einige Tage später mietet sich in der Nähe des kleinen englischen Ortes Winsford Maria Andersson in ein Cottage in der Heide ein. Das Winterhalbjahr will sie zum Schreiben in der Einöde nutzen. Bei einsamen Spaziergängen, einzig begleitet von ihrem Hund Castor, durch die nebelige Heidelandschaft, sinniert Maria über ihr bisheriges Leben. Manchmal streifen beide durch Winsford, kehren im Pub ein oder im örtlichen Computerzentrum. Durch Gespräche mit den Einwohnern lernt sie nicht nur die Lebenden sondern auch die bereits Verstorbenen kennen. Und so fühlt sie sich bald zu Hause und keiner scheint sich mehr zu fragen, was es mit dem plötzlichen Auftauchen einer Frau mit Hund an diesem abgelegenen Ort auf sich hat.

Ein weiteres Mal hat mich Hakan Nesser‘s Erzählkunst begeistert. Die bildhaften Beschreibungen des typischen englischen Heidewetters wie Nebel, Kälte und Hagel und die mystischen Zeichen wie etwa tote Fasane vor der Haustür und das Wort „Tod“ geschrieben im Staub des Autos, schaffen eine düstere Atmosphäre und erinnern an alte Edgar Wallace Filme. Entgegen jedem gewöhnlichen Krimigenre lässt Hakan Nesser eine Tat wie einen Zufall aussehen; ein unbeachtetes Beiwerk des Lebens. Er zeigt wieviel Boshaftigkeit und ungeahnte Gewaltbereitschaft in jedem von uns stecken kann. Neben dem einen roten Faden in der Geschichte spinnt der Autor weitere Fäden mit losen Enden, die keiner späteren Aufklärung bedürfen oder schlicht für den Ausgang der Handlung unwichtig sind. Damit lockt er den Leser immerfort auf falsche Fährten. Trotz des Umherspringens durch die verschiedenen Ort- und Zeitebenen fügt sich langsam Eins zum Anderen.

Meine Vorbehalte gegen Eva Mattes als Sprecherin konnte ich schnell ablegen. Denn mit ihrer zwar überaus deutlichen aber unaufdringlichen Art lässt sie Hakan Nesser und seiner Erzählung den Vorrang. Die letzten Stunden Hörbuch habe ich absichtlich hinausgezögert, um den Genuss dieses Buches zu verlängern.

Ein absolutes MUSS für Hakan Nesser Fans und solche ,die es werden wollen!

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Mittwoch, 30. Juli 2014
Paula Daly „Die Schuld einer Mutter“
Zwei Familien, zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein können:
Lisa Kallister ist überfordert als Mutter dreier Kinder, ihrer Arbeit und einem Haushalt, in dem das Geld immer knapp ist. Kate dagegen scheint die perfekte Mutter, kümmert sich aufopferungsvoll um Kinder und Haushalt, ist immer geduldig und verständnisvoll.

Die Töchter der beiden sind befreundet. Kate’s Tochter Lucinda verschwindet an einem Tag, an dem sie eigentlich bei Lisa’s Tochter übernachten sollte. Weil vorher bereits ein Mädchen aus der Gegend verschwunden war, geht die Polizei davon aus, dass Lucinda Opfer des gleichen Täters geworden ist. Nicht nur Kate’s Familie gibt Lisa die Schuld an diesem Unglück, auch Lisa selbst macht sich schwerste Vorwürfe. Sie begibt sich eigenmächtig auf die Suche nach Lucinda, ohne zu ahnen, auf welchen geheimnisvollen Weg sie sich begibt.

Wir erfahren im Verlauf der Geschichte einiges über Lisa und Kate, über die Ehen der beiden, die Familien und ihre Beziehung zueinander. Die Figuren allerdings bleiben ohne charakterlichen Tiefgang und seltsam oberflächlich. Die „Schuld“ Lisa’s, der Ich-Erzählerin, am Geschehen ist nicht wirklich zwingend und nachvollziehbar.

Der Debutroman der englischen Autorin ist eher ein Familienroman als ein Psychothriller. Zu keiner Zeit kommt es zur „geradezu hypnotisierenden Spannung“ die auf dem Cover angekündigt wird. Die Geschichte selbst ist in vielen Teilen nicht ganz schlüssig und nimmt unerklärte absurde Wendungen.
Die Sprache schlicht und leicht zu lesen, es fehlt aber an Raffinesse und Ausdrucksstärke einer wortgewandten Autorin.

Das nächste Buch Paula Daly’s kann nur besser werden!

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Montag, 9. Juni 2014
Oliver Bottini „Ein paar Tage Licht“
Im Krisenland Algerien wird ein Mann entführt; ein deutscher Manager. Peter Richter, eben erst in der nordafrikanischen Stadt Constantine angekommen, wurde von seine Firma dorthin entsannt, um den Aufbau einer Fabrik für Rüstungsmaterial zu überwachen. Aus dem Gästehaus des deutschen Verteidigungsministeriums wird er verschleppt. Alle sind in Aufruhr. Nicht nur die deutsche Botschaft in Algier, sondern auch der Verteidigungsminister in Berlin kommt in arge Bedrängnis. An mehreren Orten gleichzeitig wird gerätselt, ob es sich um eine Entführung von AL-Qaida handelt. Erst langsam wird klar, dass es hier um viel mehr geht.

Meine Bewunderung gilt dem Autor Oliver Bottini, der in diesem Krimi einmal mehr mit außerordentlich viel Recherchearbeit aufwartet. Er verbindet eine kleine Portion Fiktion mit einer großen Portion Weltpolitik um Korruption, Krieg, Terrorismus und Waffen- und Rüstungsgeschäft.

Die vielen kurzen, schnell aufeinanderfolgenden Kapitel, deren Handlung an wechselnden Schauplätzen gleichzeitig stattfinden, sind mit derart viel Information gefüllt, die den Leser leicht verwirren können. Auch die Anzahl der Figuren lässt einen ein ums andere Mal schwindeln. Dem bedeutungsschweren Wust an Information und der Verstrickung der Geschehnisse setzt der Autor am Ende des Buches ein vierzig seitiges Glossar entgegen. Aber auch das half mir nicht, die Komplexität des Inhalts voll zu erfassen. Ein bloßes politisches Interesse reicht meiner Meinung nach hier zum Verständnis nicht aus; es wird schon allerlei weltpolitisches Wissen vorausgesetzt.

Natürlich verstehe ich den Anspruch Oliver Bottinis, seiner Leserschaft die Kausalität des Ganzen aufzuzeigen, ihm muss aber auch klar sein, dass er mit der Art wie er dies tut, lediglich einen bestimmten Teil der Leser erreicht. Mich persönlich haben bereits jeweils 10 Seiten Lesen derart geistig erschöpft, dass ich immer wieder eine Pause einlegen musste. Lesevergnügen ist anders. Im Gegensatz zu manch anderen Autoren, ist es Oliver Bottini nicht gelungen, mich, als nicht versierten politischen Menschen, an die Hand zu nehmen und mich durch die vielschichtige Problematik zu führen.


Ein hochbrisanter Politthriller, dessen Niveau mich heillos überfordert hat!

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Mittwoch, 2. April 2014
Arne Dahl „Neid“
„Paul Hjelm senkte den Kopf, ihn überkam plötzlich eine unendliche Müdigkeit […] wegen all dieser Machenschaften in Europa. Verbrechen, Betrügereien, gekaufte Loyalitäten. Diese Gier. Dieser Neid. Auf den Reichtum der Anderen.“ (Zitat Seite 294)

Das ist das zentrale Thema in Arne Dahl’s neuem Krimi.
Paul Hjelm ist der Chef einer neu gegründeten europaweiten Ermittlergruppe: der Opcop-Gruppe. Während er mit seiner Lebensgefährtin Kerstin Holm, ebenfalls Ermittlerin, auf einer Europol Konferenz in Den Haag weilt, laufen andernorts Untersuchungen gegen organisiertes Verbrechen der osteuropäischen Bettlermafia. Diese kauft und verkauft Behinderte, meist Roma, um sie in westlichen Städten Geld erbetteln zu lassen. Das Opcop-Team, europäisch multikulturell besetzt, ist den Drahtziehern auf der Spur. Ausgeklügelte Abhöraktionen laufen an mehreren Stellen.

Fast gleichzeitig wird einer dieser Bettler Zeuge eines Mordes an einem Wissenschaftler mitten auf Stockholms Straßen. Als Augenzeuge kann man ihn nicht betrachten, denn er ist von Geburt an blind; seine übrigen Sinne umso mehr geschärft. Doch dieser so wichtige Zeuge verschwindet spurlos. Wie sich bald herausstellt, forschte der Ermordete im Geheimen im Auftrag der EU Kommissarin Barriere, die demnächst einen neuen zukunftsweisenden Gesetzesentwurf auf den Weg bringen will. Eben diese Politikerin speist gerade beim Bankett in Den Haag zufällig neben Paul Hjelm, woraus sich Überschneidungen zu weiteren Fällen herauskristallisieren. Bis zur erwarteten „Sommerrede“ Barriere’s vor der europäischen Kommission spitzt sich die Lage zu.

Arne Dahl enttäuscht ein weiteres Mal seine Leser nicht. Rasant, schnell und spannend, einem Action Film gleich, lässt er europaweit die „Puppen tanzen“. Detailgetreu und mit viel Gespür für die Charaktere seiner Figuren zeichnet der Autor ein Gesamtbild der großen Europapolitik. In einem Zeitraum von nur wenigen Wochen lässt Arne Dahl seine Ermittler an den verschiedenen Orten agieren. Er springt zwischen den Schauplätzen hin und her und erreicht damit ein atemberaubendes Tempo. Wem das alles zu kompliziert erscheint, der sei beruhigt. Der Autor nimmt den Leser an die Hand und führt ihn. Auch zwischenmenschliche Beziehungen bleiben bei seiner Erzählweise nicht auf der Strecke.

„Neid“ ist bereits der dritte Teil, von vier, um die Opcop-Gruppe, die aus einem Kriminalisten-Team der Stockholmer Polizei entstanden ist. Diese agierten in den vorherigen Romanen Arne Dahls. Auch diese immer brisant und nah am aktuellen politischen Geschehen.


Davon will ich mehr !

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Mittwoch, 19. März 2014
Elanor Dymott „Bevor sie mich liebte“
Bevor Rachel ihn liebte war sie eine Andere. Das muss Alexander erfahren, nachdem seine geliebte Frau auf tragische Weise ums Leben kam. Während eines Ehemaligentreffens an der Universität Oxford wurde sie ermordet. Jetzt, ein halbes Jahr später, reist Alex nochmals an den Ort, an dem er seine Rachel vor vielen Jahren kennen und lieben gelernt hat und an dem er sie für immer verloren hat. Weil die Polizei zwar ermittelt, aber bisher noch zu keinem Ergebnis gekommen ist, versucht der trauernde Ehemann mehr über die zurückliegenden Vorkommnisse zu erfahren. Harry, der damaliger Tutor während des Studiums hatte ihn eingeladen, um ihm „Unterlagen“ von Rachel zu übergeben. Bei diesen Treffen, die während Alex' Oxfordaufenthalt täglich stattfinden, weiß Harry eine Geschichte zu erzählen, von der Alex nichts im Entferntesten ahnte, und was ihn jetzt zutiefst erschüttert. Was er hier hört und erfährt hat nicht viel mit dem Bild seiner lieben Ehefrau zu tun, das er kannte.

Um sich aber ein ganzes Bild der Geschehnisse machen zu können, muss Alex viele Puzzleteile zusammensetzen. Die bestehen aus Aussagen von Harry, der Patentante der Verstorbenen, den Unterlagen, die er im Schreibtisch findet und den Angaben Rachels damaliger bester Freunde Anthony und Cissy. Diese wurden nach einem Vorfall von der Uni verwiesen. Das meiste erfährt der Ich-Erzähler Alex aus zweiter oder dritter Hand.

Die Vorkommnisse in diesem Roman wären in hundert Seiten erzählt, hielte die Autorin den Leser nicht auf fragwürdige Weise hin. Erst nach der Hälfte des Buches beginnt die Geschichte um Rachel; die Seiten davor sind gefüllt mit Spekulationen und Vermutungen Alex‘. Seine Ausführungen gleichen mehr einem Bericht, denn einer Erzählung, der Text, nur durch wenige Dialoge unterbrochen, einer Bestandsaufnahme.

Der Leser bleibt auf Abstand. Auch er kann sich nur auf Aussagen anderer stützen, von denen er nicht weiß, wie weit sie der Wahrheit entsprechen. Jeder der Beteiligten redet über den anderen, glaubt zu gewusst zu haben, was im Nächsten vor sich ging. So entsteht eine Menge Hören-Sagen, ohne einer Wirklichkeit näherzukommen. Wessen Aussage ist zu trauen, wie viel ist sie wert? Der Leser wird für meinen Geschmack zu wenig mit Fakten, die zum näheren Verständnis führen, denn mit gegenstandslosen Kleinigkeiten versorgt; aber die dann im Detail.

In diesem Krimi, wenn man ihn denn so nennen will, geht es nicht eigentlich um die Suche des Mörders, sondern um ein Psychogramm der Figuren. Der Spannungsbogen wurde allerdings so weit gedehnt, dass ungeduldigen Lesern schnell die Neugierde aufs Ende abhanden kommt. Aber das ist Elanor Dymott’s erster Roman; es kann also nur besser werden.

Gute Idee, schlecht umgesetzt!

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Donnerstag, 30. Januar 2014
Jan Costin Wagner „Tage des letzten Schnees"
Am Anfang der Geschichte steht ein Unfall mit Todesfolge. Ein kleines Mädchen stirbt. Die Tochter eines Architekten. Kimmo Joentaa, Kommissar bei der finnischen Polizei, erkennt diesen als ehemaligen Chef seiner verstorbenen Frau Sanna. Obwohl ihr Tod schon einige Zeit zurückliegt, fühlt sich Kimmo der Familie auf emotionale Weise verbunden. Und weil es zunächst nichts zu Ermitteln gibt, steht er ihnen beratend und tröstend zur Seite.

Etwas früher in der Geschichte reisen mehrere Banker zu Geschäftszwecken nach Belgien und feiern nach erfolgreichem Abschluss eines wichtigen Vertrages in einem Club. Dort lernen einige von ihnen Reka kennen, eine Prostituierte.

Etwas später in der Geschichte werden in einem Park in Helsinki zwei Ermordete gefunden. Auf einer Parkbank; in der Nähe eines modernen Wohnkomplexes. Ein Mann und eine Frau aus Rumänien.

Und zur gleichen Zeit bereitet sich ein junger Finne auf seine letzte Mission vor, einen Amoklauf.

Die im ersten Teil des Buches scheinbar voneinander unabhängigen Geschehnisse fügen sich im zweiten Teil rein zufällig zusammen. Der Autor bleibt damit dicht am wahren Leben, in dem nichts vorhersehbar ist und das nicht einem klaren Schema folgt. Mit dabei ist immer der Zufall.

Es wird viel gestorben in Jan Costin Wagners Romanen. Nicht immer gemordet, aber viel gestorben. Auf die eine oder andere Weise. Und es wird sich mit dem Sterben und dem Tod auseinandergesetzt; eben auch auf die eine oder andere Weise. Nicht im klassischen Sinne einem Krimi folgend, befasst sich Jan Costin Wagner mit den Menschen, darum wie und ob und warum sie töten. Die Figuren, allen voran Kimmo Joentaa, gehören eher zu den nachdenklichen Typen, nicht oberflächlich, sondern emotional. Typen, wie man sie mag und mit denen man leidet.

Jan Costin Wagner schreibt so schön, so gefühlvoll, wie man es von einem Krimischreiber nicht erwartet. Für mich ein echter Glücksfall! Wer ein Kennenlernen seines Schaffens nicht dem Zufall überlassen will, kann sich hier informieren:

http://buchlesetipp.blogger.de/stories/2150392
http://www.jan-costin-wagner.de

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Mittwoch, 2. Oktober 2013
Alexander Söderberg „Unbescholten“
Mit diesem neuen schwedischen Thriller habe ich mich wirklich schwer getan. In Söderbergs Welt tummeln sich massenweise Mafiabosse, Siegel beringte Kriminelle und breit gebaute Russen mit Goldkette. Als modisches Accessoire das Maschinengewehr geschultert. Waffen werden von hier nach da geschmuggelt, dunkle Geschäfte getätigt, Autobomben gezündet und mittendrin die „Unbescholtene“: Sonja Brinkmann, Krankenschwester. Sie ist die einzige der sage und schreibe dreißig Hauptfiguren(allesamt Spanier, Russen, Schweden und Deutsche), die nichts auf dem Kerbholz zu haben scheint. Selbst den Gesetzeshütern ist nicht zu trauen, der junge Polizist Lars schnüffelt an der Unterwäsche seiner zu überwachenden Zielperson. Das ist der Stoff, aus dem dieser Roman besteht!

Sprachlich gleicht das Werk einem zweitklassigen Groschenroman. Die Dialoge, dürftig und billig wie am Gangsterstammtisch – nicht das ich je einem solchen beigewohnt hätte. Personenbeschreibungen beschränken sich auf „langhaarig, grauhaarig, Glatze und gelockt“; auch Adjektive wie schön, schlank, kräftig und braungebrannt lassen die Figuren nicht lebhafter werden. Zu alledem finden sich auf den ersten zehn Seiten unzählige Druckfehler, über die man bei adäquatem Inhalt hinwegsehen könnte.

Von der Presse bereits im selben Atemzug wie Stig Larson genannt soll auch dieser Roman, dem noch zwei weitere folgen, in Bälde verfilmt werden. Meiner Meinung nach hinkt der Vergleich gewaltig. Vielleicht wird mich aber auch hier der Spielfilm mehr überzeugen können.

Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, KONNTE diesen Roman aber nicht zu Ende lesen. Zu klischeeüberladen das Buch und ich nicht nur desinteressiert am Ausgang der Geschichte, nein, es stellte sich gar ein Fremdschämen dem Autor gegenüber ein. Die Auswahl eines Buches ist und bleibt aber schließlich eine Frage des persönlichen Geschmackes, für mich steht daher fest:

Dieser Thriller ist organisiertes Verbrechen an mir, der Leserin!

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