Dienstag, 4. Juli 2017
Jo Nesbø „Koma“ (Ein Harry-Hole-Krimi 10)
Ein Mann liegt im Koma. Seine Identität ist unbekannt, bewacht durch einen Polizisten vor der Tür des Krankenhauszimmers. Unterdessen kommt es in Oslo zu abscheulichen Morden. Das Muster, nachdem diese Morde begangen werden, ist schnell gefunden: Sie finden allesamt an Tatorten statt, an denen es in den letzten Jahren zu Gewaltverbrechen kam, die nicht aufgeklärt wurden. Handelt es sich hier um einen Racheakt eines Angehörigen, will der Täter hier auf die Missstände bei der Polizei aufmerksam machen? Denn die aktuellen Opfer sind Gesetzeshüter, die damals an den Ermittlungen beteiligt waren. Einige davon auch aus dem Team des Kriminalkommissars Harry Hole. Dieser wird im Präsidium bei den Ermittlungen schmerzlich vermisst; gut hätte man seine Sicht auf die Dinge und die ungewöhnliche Herangehensweise an einen Fall, die für den unkonventionellen Hole so typisch waren, gebrauchen können. Seine Unterstützung fehlt an jeder Stelle.

Jo Nesbø lässt hier wie immer keine Wünsche offen, hält den Leser in Atem von der ersten bis zur letzten Seite. Abgesehen von den überaus scheußlichen Morden und den Beschreibungen der Toten schreckt der Autor nicht davor zurück, auch Hauptfiguren über die Klinge springen zu lassen. Der norwegische Polizeiapparat wird hier nicht als eine Truppe Helden der Nation verstanden, sondern Nesbø beschreibt alle darin authentisch und absolut menschlich. Da werden Fehler begangen, andere sind korrupt, wieder andere nehmen es mit Wahrheit und Gesetz nicht ganz so genau. Und der Leser ist ganz dicht dabei. Sprachlich unterscheidet sich Jo Nesbø meiner Meinung nach erheblich von dem üblichen Thriller-Slang und überrascht immer wieder mit tiefgründigen, gar poetischen Sätzen.

Als sei man selbst ein Teil des Ermittler-Teams schickt uns der Autor auf viele verschiedene Spuren, die das eine oder andere Mal in eine Sackgasse führen. Er ist ein Meister darin, uns an der Nase herum zu führen, uns miträtseln zu lassen und uns in einer Lesepause den Kopf zerbrechen zu lassen über das, was in der Geschichte geschieht. Nicht wenige Male bezieht sich Jo Nesbø auf vorherige Fälle um Hauptkommissar Harry Hole. Zum besseren Verständnis hilft ein Glossar am Ende des Buches, in dem die vielen Namen der Beteiligten noch einmal nachgelesen werden können.

Ich kann nur jedem raten, einmal einen Kriminalroman von Jo Nesbø zu lesen und sich mitten hinein zu begeben in seine Ermittlergruppe, Teil des Teams zu werden! Absolut lesenswert!



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