Freitag, 19. Oktober 2012
Jennifer Haigh: „Auftauchen“
Die McKotchs sind eine ganz normale Familie. Jedes Jahr verbringen sie ihren Urlaub mit ihren drei ganz unterschiedlichen Kindern auf Cape Cod in ihrem Ferienhaus. Was wie ein unbeschwerter Sommer 76 beginnt, endet in einer einschneidenden Veränderung aller Familienmitglieder. Bei Gwen, der Tochter, wird das Turner-Syndrom festgestellt, was ihr Wachstum hemmt und die Pubertät ausbleiben lässt. Für Gwen die Bestätigung: Sie ist eben anders. Aber sie selbst hat das schon lange gewusst und gespürt. Dafür war keine Diagnose wichtig. Diese bekennt nur ihren inneren Zustand. Die Krankheit macht ihr Anderssein lediglich sichtbar.
Für die Eltern bricht allerdings eine Welt zusammen. Während Paulette, die Mutter, sich überfürsorglich gibt, vergräbt sich Frank in seine Arbeit und versucht die Krankheit seiner Tochter auf eher nüchterne Art begreifbar zu machen. Beiden will ihr Weg damit umzugehen nicht recht gelingen und so zerbricht die Familie. Alle scheinen zu leiden, nur Gwen gelingt es, endlich aufzutauchen und ihr eigenes Leben zu führen.

Mit häufigen Wechseln der Perspektive erzählt die Autorin hier eine fesselnde Familiengeschichte, die keinesfalls als Tragödie daherkommt. Aus der Sicht jedes Einzelnen schildert sie eine Situation, mit der jeder anders umgeht, aus der jeder andere Wege geht und seine eigenen Chancen wahrnimmt. Vielleicht, so denke ich, leidet nicht der Betroffene selbst unter dem Anderssein, sondern vielmehr seine Umwelt.

"Auf Cape Cod herrscht ein zeitloser Rhythmus, unveränderlich. Eisige Wellen krachen an die Küsten. Dann kalte Wellen. Dann kühle. Die Bucht liegt da und wärmt sich an langen Tagen. Kinder mit blauen Lippen trotzen der Brandung."
(Jennifer Haigh)

Lese ich solche Sätze auf der ersten Seite eines Buches, dann hat es mich gepackt!

... comment

Besucherzähler Für Homepage