Donnerstag, 13. August 2015
Drüber nachgedacht: Herbstneuheiten
Die Hitze ist derzeit ein großes Thema; schwer damit umzugehen. Doch es gibt viele Möglichkeiten sich in irgendeiner Form abzukühlen. Manche tun das mit einer kalten Dusche, einem kühlen Getränk oder einer Klimaanlage. Ich selbst versetze mich gedanklich in den bald nahenden Herbst und beschäftige mich mit den kommenden Buchneuheiten. Denn schon Monate vor ihrem Erscheinen lassen sich bei den Webseiten der Verlage die neuen Herbstkataloge als PDF Dateien durchforsten. Ich liebe es darin zu schmökern, neue Bücher und Autoren zu entdecken und mich bereits jetzt auf einige davon freuen zu können. Und wenn ich beim Durchblättern der Seiten das Rascheln des Herbstlaubes höre, vor meinem inneren Auge die mit Tau bedeckten glitzernden Spinnweben im Garten entstehen lasse oder frische Kastanien in meiner Hand spüre, dann kann ich mich sogar ein bisschen auf den Herbst freuen. Aber genug der pseudopoetischen Gedankenspielerei.

Irgendwann tauche ich dann im Jetzt und Hier wieder auf, gieße mir ein gekühltes Ginger Ale ein und bin doch eigentlich froh, dass immer noch Sommer ist!

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Freitag, 7. August 2015
Gisa Klönne:“ Die Wahrscheinlichkeit des Glücks“
Manchmal kommt alles anders, als man denkt. Das erfährt auch die Astrophysikerin Dr. Frieda Telling, als sie zur Verlobung ihrer Tochter nach Berlin reist. Am Abend zuvor ist ein Besuch im Ballett geplant, in dem Aline an der Seite ihres Verlobten Jan tanzt. Doch noch bevor die Premiere beginnt, hat Aline einen schrecklichen Unfall. Sie sei völlig hysterisch aus dem Theatergebäude direkt in ein Auto gerannt, wissen Passanten zu berichten. Im Krankenhaus erfährt Frieda, dass ihre Tochter schwer verletzt im Koma liegt. Jan ist überzeugt, dass das Geschenk ihrer Großmutter Henny Aline so aus der Bahn geworfen habe.

Völlig aus der Fassung geraten macht sich die sonst so kontrollierte Frieda auf die Suche nach dem Grund für den Unfall und gerät bald tief in die eigene Vergangenheit, die Jugend ihrer an Demenz erkrankten Mutter Henny und deren Heimat, das rumänische Siebenbürgen. Noch ahnt sie nicht, dass sie einem alten Familiengeheimnis auf der Spur ist. Bei ihrer Recherche kommt sie nicht umhin, auch ihr eigenes Leben und das Verhältnis zu ihrer Tochter zu hinterfragen. Alles scheint auf den Kopf gestellt, als sie sich auch noch zu dem Frauenheld und Schriftsteller Arno hingezogen fühlt. Doch zunächst benötigt sie seine Hilfe, denn sein Vater und ihre Mutter scheinen eine gemeinsame Vergangenheit zu verbinden.

Ich muss es leider ehrlich sagen: Selten hat mich ein Buch so gelangweilt und enttäuscht wie dieses. Sowohl inhaltlich als auch sprachlich erfüllt es jegliches Klischee eines billigen Groschenromans. Die Handlung, wie auch die Figuren selbst sind unglaubwürdig und wirken allzu ausgedacht und konstruiert. Die endlosen Fragen, die sich die Protagonistin unentwegt stellt, werden, wenn sie auch bei Seite 300 noch unbeantwortet bleiben, zermürben und langweilig für den Leser. Außerdem entbehrt die Geschichte jeder Logik.

Der Grat zwischen poetischem Ausdruck und umgangssprachlicher Phrase ist sehr schmal, die Grenze dessen hier zu oft überschritten. Kaum zu glauben, dass dieser Roman aus derselben Feder stammt, wie die vor ein paar Jahren veröffentlichten und absolut lesenswerten Krimis der Autorin Gisa Klönne.

Nichts Schlimmeres gibt es beim Lesen, als wenn einen das Ende des Buches nicht interessiert.


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Dienstag, 7. Juli 2015
Samuel Bjoerk: „Engelskalt“ Hörbuch
gelesen von Dietmar Wunder

In einem Wald in der Nähe eines Dorfes unweit von Oslo wird eine Mädchenleiche gefunden. Aufgehängt an einen Baum mit einem Springseil. Am Nagel des kleinen Fingers steht die Zahl 1. Schnell wird klar, dies ist das Werk eines Serienmörders und es werden noch weitere Morde folgen.

Die Kriminalpolizei Oslo ruft augenblicklich eine Sondereinheit zusammen. Bestehend unter anderen aus dem etwas knorrigen Holger Munch, der geschiedene Ehemann, dessen ganze Liebe seiner Enkelin Marion gilt; der jungen Mia Krüger, die ihren Beruf wegen eines früheren Zwischenfalls an den Nagel hängen wollte und sich auf einer einsamen Schäreninsel gerade auf ihren Suizid vorbereitet und der Nerd Gabriel, ein bekannter Hacker, der sich nicht vorstellen konnte einmal für die Polizei zu arbeiten.

Schon bald wird das zweite Mädchen gefunden und auch Nummer drei und vier lassen nicht lange auf sich warten. Allen Opfern gleich ist die Tatsache, dass sie kurz vor der Einschulung stehen, man sie Puppen gleich mit einer Schuluniform bekleidet hat und die Leichen ein Schild um den Hals tragen mit der Aufschrift “ ich reise allein“. Die letzten beiden verschwinden innerhalb weniger Stunden. Als der Täter sich dann bei der Redaktion einer großen Osloer Zeitung meldet, überlässt der den Journalisten eine schwerwiegende Entscheidung.

Und dann wird der Fall plötzlich persönlich. Nicht nur die Familie von Holger Munch, sondern auch Mia Krüger geraten erheblich unter Druck. Die Ereignisse überschlagen sich, an mehreren Orte geschehen Dinge gleichzeitig und die Lage spitzt sich zu. Als Holger Munch schon glaubt, der Kreis schließe sich und bald sei alles vorüber,……..

Dieses Buch ist der Auftakt einer vielversprechenden Krimireihe des norwegischen Autors Samuel Bjoerk. Er führt den Leser ganz behutsam in die Geschichte ein, so wie seine Figuren in den Fall. Man wird Zeuge beim Aufbau einer neuen Ermittlergruppe, deren durchweg sympathischen Mitglieder bald zu einer gut funktionierenden Truppe zusammenwachsen. Jedem Protagonist in diesem Buch steht eine eigene Vita zugrunde, die jeden von ihnen glaubhaft beschreibt. Samuel Bjoerk lässt den Leser ganz dicht heran und macht ihn glauben, einer vom Team zu sein.

Die rasanten Perspektivenwechsel, die sich zum Ende in immer kürzeren Abschnitten finden, schaffen eine unglaubliche Spannung. Man ist mittendrin im Geschehen und glaubt man sich auf der richtigen Fährte, wird man eines Besseren belehrt. Vom ersten Satz an hat mich dieses Buch in Bann gezogen.

Allerdings würde ich jedem statt des Hörbuchs die Lektüre empfehlen, da die Lesart des Synchronsprechers Dietmar Wunder gewöhnungsbedürftig ist. Sie gleicht mehr einem Hörspiel denn einer Vorlesung.

Dieser knallharte Thriller sollte in keinem Urlaubsgepäck fehlen!

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Dienstag, 9. Juni 2015
Drüber gelacht: „ Holger, die Waldfee“
Ach, es ist doch immer wieder herrlich etwas Neues zu entdecken!

So geschehen in einer der vielen Talksendungen im Fernsehen letzte Woche: der junge hessische Poetry Slammer Lars Ruppel spricht über sich, seine Arbeit und den Spaß an Sprache und dem Reimen. Aus zehn bekannten Redensarten hat der Autor heitere Gedichte im Poetrystil geschrieben. Diese wurden in seinem Buch „Holger, die Waldfee“ veröffentlicht.

Als er nun in erwähnter Talk Sendung eines dieser Werke (“Nicht schlecht, Herr Specht“) vorträgt, spürt man deutlich den Spaß und die Freude die Lars Ruppel dabei hat, mit Sprache und Worten zu spielen und zu jonglieren. Denselben Spaß habe ich als Zuhörer empfunden und mich an die spitzbübige Art der Gedichte Heinz Erharts oder Robert Gernhardts erinnert. Ihnen allen scheint Poesie und Lyrik ganz einfach von der Hand zu gehen, sie scheint im täglichen Sprachgebrauch unerlässlich, gar zwingend und notwendig. Diese „Einfachheit des Reimens“ lehrt Lars Ruppel an Schulen und Universitäten, gibt Workshops und ist auf unzähligen Bühnen Deutschlands als Poetry Slammer nicht mehr wegzudenken. Ich selbst habe jetzt zum ersten Mal von ihm gehört, und als jemand, dem Sprache ebenso viel Spaß bereitet, gerne Gedichte liest und auch gutem Humor nicht abgeneigt ist, komme ich einfach nicht mehr umhin, mich mit diesem jungen Genie und seinem Tun zu beschäftigen.

Lars Ruppel hat das Reimen im Blut!



Mehr Infos finden Sie hier:
http://larsruppel.de
https://www.youtube.com/watch?v=rfpXsuO3wNI

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Donnerstag, 28. Mai 2015
Jan Seghers: „Die Sterntaler Verschwörung“
Das Privatleben von Kriminalkommissar Robert Marthaler gerät aus den Fugen als seine geliebte Theresa seinen Heiratsantrag ablehnt. Außerdem lässt ihn ein Frauenmörder, der weiterhin auf freiem Fuß ist, nicht los. Da kommt ihm eine Abwechslung gerade recht. Eine Bekannte aus Hamburg vermisst ihre Freundin, die Journalistin Herlinde Scherer. Sie sei bereits vor Tagen schon nach Frankfurt abgereist, um in einer spektakulären Sache zu recherchieren. Anna könne sie telefonisch nicht erreichen und mache sich Sorgen. Lediglich der Name eines Hotels, in das sie absteigen wollte, ist Anna bekannt.

Als Marthaler in der unscheinbaren Unterkunft ankommt, findet er die Leiche der Journalisten. Doch noch bevor er etwas unternehmen kann, kommt ihm ein Kollege des LKA in die Quere. Axel Rotteck erklärt den Fall unmittelbar zur geheimen Landessache. Und weil der bissige Kommissar sich nicht gerne etwas verbieten lässt, ermittelt er ohne Erlaubnis seiner Chefin mithilfe seiner Sekretärin und des Kriminaltechnikers. Was Marthaler zu dieser Zeit noch nicht weiß: er begibt sich mitten in einen Pool politischer Intrigen und Korruption.

Und fast gleichzeitig beobachtet ein junger Mann in einem kleinen Ort in der Nähe von Frankfurt einen Motorradunfall. Am Unglücksort findet er einen Umschlag mit abscheulichen Fotografien nackter Kinder. Als plötzlich ein ortsansässiger Landtagsabgeordneter unter den Verdacht der Kinderpornographie gerät, weiß der junge Mann, dass er selbst in höchster Gefahr schwebt.

Der Frankfurter Schriftsteller Jan Seghers hat einen hochbrisanten Kriminalroman geschrieben, in dem es keinesfalls nur fiktiv zugeht. Die hessischen Leser unter uns werden sich an den umstrittenen Wahlkampf vor der Landtagswahl 2008 gut erinnern können. Der Autor greift hier Korruption und Machenschaften der Politiker auf. Sind die Namen der Figuren im Buch auch verändert, so lassen sich klar und deutlich Personen der Parteien darin zuordnen und erkennen. Die Intrigen und Manipulationen, die an höherer Stelle nicht unüblich sind, werden hier im Detail aufgezeigt und sollten zum Nachdenken anregen.

Der Leser begibt sich mitten in die akribische Polizeiarbeit der Ermittler, „arbeitet“ sozusagen mit im Team, sodass jeder Schritt leicht und klar nachzuvollziehen ist. Die einfache pragmatische Sprache lässt einen ganz auf den Inhalt konzentrieren und die Spannung der Geschichte steigt von Seite zu Seite.


Mehr zum Autor und seiner Werke hier im Blog:

http://buchlesetipp.blogger.de/stories/2364150
http://buchlesetipp.blogger.de/stories/2198248

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Dienstag, 28. April 2015
Stephan Thome: „Gegenspiel“ Hörbuch
gelesen von Claudia Michelsen

In Stephan Thomes neuem Roman treffen wir die Protagonisten aus dem vorangegangenen Buch“ Fliehkräfte“ wieder: das Ehepaar Hartmut und Maria. In diesem widmete der Autor seine Aufmerksamkeit Hartmut. Dem zurückgelassenen Mann, dessen Frau sich nach langjähriger Ehe aus beruflichen Gründen für eine Fernbeziehung entscheidet. In „Gegenspiel“ lässt er nun Maria zu Wort kommen. Aus ihrer Sicht wird erzählt, wie sie in den siebziger Jahren ihr Heimatland Portugal und ihre streng katholische Familie verlässt. Eine Heimat, in der politische Unruhen nicht enden wollen. Schließlich geht sie nach Berlin und somit in ein Land, das keine Studiengebühren erhebt und in dem es für eine junge Frau möglich ist, sich selbstständig und unabhängig zu entwickeln.

Nach den wilden achtziger Jahren in der geteilten Stadt, in der sie den Grundstein ihrer beruflichen Zukunft legt, lernt Maria den egozentrischen Theaterregisseur Falk kennen, der auch später in ihrem Leben wieder eine Rolle spielen wird. Ihre angestrebte Unabhängigkeit verliert sie, als sie etwas später vom Freund einer Bekannten, Hartmut, schwanger wird und mit ihm ins Ruhrgebiet zieht. Überfordert mit dem frühen Muttersein flüchtet sie in eine kurze aber heftige Affäre. Als die Tochter erwachsen und Maria beruflich wieder auf eigenen Füßen steht, droht ihre Ehe zu zerrütten. Denn eines versäumen Maria und Hartmut in ihrer jahrzehntelangen Ehe: miteinander zu reden.

Das Buch beginnt mit einem handfesten Ehestreit, den sicher jeder, der in einer längeren Beziehung lebt, nachvollziehen kann. Augenscheinlich geht es um alltägliche Kleinigkeiten, in Wahrheit geht es um alles. Stephan Thome scheint zu wissen wovon er redet. Er weiß sich sprachlich auszudrücken, wählt immer die richtigen Worte und kann sich mühelos in die Seele einer Frau einfinden. Ein genialer Schachzug des Autors ist, eine ganz normale Liebes- und Lebensgeschichte zweier Menschen von beiden Seiten zu beleuchten. Wie im richtigen Leben, in dem jede Medaille ihre zwei Seiten hat.

Trotz einer deprimierenden und frustrierenden Geschichte, teilweise langatmigen Gesprächen der Figuren und des Umherspringen in den verschiedenen Zeitebenen ist es Stephan Thome ein zweites Mal gelungen, mich in seinen Bann zu ziehen. Das gelungene Vorlesen der Schauspielerin Claudia Michelsen ist ein weiterer Pluspunkt dieses Hörbuches.


Rezension „Fliehkräfte“:
http://buchlesetipp.blogger.de/stories/2241690

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Donnerstag, 9. April 2015
Tana French: „Geheimer Ort“
Auf dem Gelände eines irischen Mädcheninternats wird die Leiche eines Jungen gefunden, eines Schülers der benachbarten Jungenschule. Der mutmaßliche Mörder wird zwar schnell gefasst, die Ermittlungen aber bald aus Mangel an Beweisen eingestellt.

Ein Jahr später wird der Fall neu aufgerollt. Neue Beweismittel in Form einer Karte mit der Aufschrift „ich weiß wer Chris Harper getötet hat“ sind aufgetaucht. Der junge ehrgeizige Detective Stephen Moran, bisher abgeschoben in die Abteilung „Ungelöste Fälle“, sieht hier seine Chance ins Morddezernat befördert zu werden. Ausgerechnet der umstrittenen Kollegin Antoinette Conway wird er unterstellt und muss ihr sich selbst und sein Können beweisen. Gewisse Umstände erfordern, dass beiden lediglich ein einziger Tag zur Aufklärung zur Verfügung steht.

Im Internat angekommen stehen sie ungewohnten Herausforderungen gegenüber. Acht junge Mädchen aus zwei verfeindeten Cliquen müssen befragt werden. Allesamt pubertierende, zickende Gören aus reichem Hause, die für sich lügen, sich gegenseitig schützen, intrigieren und so die Ermittler scheinbar an der Nase herum führen. Die zähen Befragungen, die auch dem Leser einiges an Geduld abverlangen, ergeben Steinchen für Steinchen ein Mosaik, dessen Bild erst spät im Buch vollständig erkennbar wird.

Diese Geschichte wird regelmäßig von einem zweiten Erzählstrang unterbrochen, in dem geschildert wird “was wirklich geschah“, die Zeit vor und nach dem Tod von Chris Harper.

Tana French überzeichnet ihre Figuren in Charakter und Sprache. Das voll-mega-echt-hallo?- Gerede der verwöhnten Teenager, sowie die gewollt proletenhafte Ausdrucksweise der Polizisten sind manchmal schwer zu ertragen. Auch die übertrieben pathetischen Beschreibungen unbedeutender Vorkommnisse lassen mich alles mit einem kleinen Augenzwinkern betrachten. Dem entgegen stehen das unglaublich psychologische Geschick der Autorin und ein Spannungsbogen, wie man ihn nur selten findet – Unterhaltung pur.

Der perfekte Krimi, um die Realität für ein langes Wochenende zu vergessen und vollkommen in die Welt von Tana French einzutauchen!

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Montag, 16. März 2015
Bernhard Schlink: „Die Frau auf der Treppe“ Hörbuch
Gelesen von Charles Brauer

Auf einer Geschäftsreise nach Australien wird sich das Leben des Ich-Erzählers verändern. Davon ahnt er allerdings noch nichts, als er ein Museum in Sydney betritt. Plötzlich bleibt er wie angewurzelt vor einem der Exponate stehen, dass er aus früheren Zeiten kennt. Das Gemälde zeigt eine nackte Frau wie sie eine Treppe hinunterschreitet. Damals war er ein junger Anwalt in Frankfurt und träumte von einem guten Leben. Dieses Ziel wusste er pedantisch zu verfolgen. Doch dann geriet er zwischen die Fronten zweier Klienten, die sich um eben dieses Gemälde stritten. Auch die Frau, die für das Bild Modell gestanden hat, Irene, spielte in deren Unstimmigkeiten eine große Rolle. Der Anwalt verliebte sich in die Frau, bereit sein Leben und seine Zukunftsvision hinter sich zu lassen und mit ihr und dem Bild durchzubrennen. Das gut geplante Vorhaben gerät allerdings außer Kontrolle und Irene verschwindet spurlos, mit ihr das Bild „die Frau auf der Treppe“.

Als der Anwalt jetzt, Jahrzehnte später, das Museum verlässt, setzt er alle Hebel in Bewegung, um Irene aufzuspüren. Er findet sie tatsächlich in einem kleinen Haus an einer unscheinbaren Bucht. Eben an jenem Ort, wo sich bald alle wiedertreffen werden. Aus dem jungen Juristen ist ein großer Anwalt der Reichen mit eigener Kanzlei geworden, aus dem Nächsten ein millionenschwerer Unternehmer, aus dem Dritten einer der erfolgreichsten Maler seiner Zeit. Auch für Irene hat sich einiges verändert, wenn auch nicht im positiven Sinn.

Der Autor Bernhard Schlink zeigt in diesem Buch, dass es im Leben um mehr geht. Dass Zufriedenheit nicht unbedingt mit Erfolg zusammenhängt, Reichtum nicht unweigerlich mit Geld zu tun hat und Luxus eine Frage der Weltanschauung sein kann. Trotz des tieferen Sinns der Geschichte, den der Leser hineininterpretieren kann, bleibt der Autor in seiner Art des Erzählens an der Oberfläche. Um Bedeutungsvolles in diesen Text zu transportieren, fehlt meiner Meinung nach die Emotionalität der Sprache. Mit den langen, teilweise unbedeutenden Dialogen, bleibt das Buch eher langweilig. Die eigentlich originelle Idee der Handlung hätte spannender umgesetzt werden können.

So schnell das Hörbuch gehört ist, so schnell ist die Geschichte auch wieder vergessen. Schade eigentlich!

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Dienstag, 3. Februar 2015
Bodo Kirchhoff: „Verlangen und Melancholie”
Der fast 60-jährige Hinrich, einst Journalist einer großen Zeitung, lebt in Frankfurt. Er ist Witwer seit seine Frau Irene vor einigen Jahren den Freitod gewählt hat. Bei einsamen Streifzügen durch die Stadt ergeht er sich in Grübeleien über das Leben und sucht nach Beweggründen ihres Handelns.

Wo er auch geht und steht, sieht er seine Irene vor seinem inneren Auge, den Menschen, der ihn ein Ganzes hat sein lassen. Aber es gab auch eine Zeit da hatte er sie fast verloren wegen einer Affäre mit Marianne. Immer wieder tauchen Erinnerungen auf, mal an die gemeinsamen Reisen nach Italien, die vielen Besuche in den Frankfurter Museen und die gemeinsam verbrachten zärtlichen Nächte. Hinrichs langweiliger Alltag wird nur unterbrochen von seinem Enkel Malte, dem er mit seinem Wissen über Kultur und Geschichte durchs Abitur hilft.

Eines Tages findet Hinrich im Briefkasten einen schwarzumrandeten Brief, einen Trauerbrief. Ein ungutes Gefühl bestärkt ihn darin, diesen Brief in einer Schublade verschwinden zu lassen, die verschiedentliche Utensilien seiner Frau enthält. Als er dann eine junge Polin kennen lernt, gerät der Brief zunächst in Vergessenheit. Seine Suche nach Liebe und Nähe scheint nun ein Ende zu haben, da Zusan sich nicht nur um den Haushalt kümmert, sondern auh um die Bedürfnisse des Witwers selbst. Natürlich gegen ein kleines Taschengeld. Die Tage vergehen nur schleppend und beim Blättern in einem der letzten Bücher, die Irene übersetzt hat, fällt ihm eine kleine Notiz in die Hände. Eine Notiz, die ihn beunruhigt und ihn zweifeln lässt, wie gut er seine Irene wirklich gekannt hat.

Später in der Geschichte begibt sich Hinrich auf einer Reise nach Polen, und kommt dort nicht nur einem Geheimnis seiner Frau auf die Spur, sondern öffnet auch endlich den schwarzumrandeten Brief. Danach wünschte er, ihn nie erhalten zu haben.

Bodo Kirchhoff schreibt über die Liebe wie kaum ein anderer Autor, anrührend und schön ohne trivial zu werden. Auch seiner Liebe zu seiner Heimatstadt Frankfurt gibt der Autor Ausdruck, indem er die Stadt nicht nur als Finanzmetropole beschreibt, sondern der Kultur und den vielen Museen huldigt. Er lässt seinen Protagonisten über Literaten und Künstler gleichermaßen philosophieren wie über Politik und aktuelles Weltgeschehen. Unglaublich wie Kirchhoff es vollbringt, eigene Gedanken und Gefühle in kurzen knappen Sätzen zu formulieren, für die man selbst nie Worte gefunden hätte. Er verwebt Gewesenes und die Gegenwart in wenigen Sätzen, springt in Gedanken hin und her und bleibt dennoch klar in seiner Aussage.

Der Roman ist nichts für hastige, ungeduldige Leser; stattdessen begibt man sich ganz und gar mit dem Autor tief in das unaufgeregte Leben des Protagonisten. Bodo Kirchhoff ist ein Meister darin, Vieles zu sagen, und doch liegt das Wichtige und Reizvolle im Unausgesprochenen, nicht Gesagten oder den Worten zwischen den Zeilen. Das muss man ihm erst einmal nachmachen!

Ein bisschen Melancholie sollte man zum Lesen dieses Buches aber schon aushalten können ;-)

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