Mittwoch, 4. September 2013
Drüber gelesen: Der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf ist tot
Letzte Woche habe ich irgendwo gelesen, dass sich ein Schriftsteller namens Wolfgang Herrndorf das Leben genommen hat. Ich hatte diesen Namen nie gehört. Es ist meiner angeborenen Neugierde gegenüber geschuldet, dass ich im Internet recherchiert habe. Dabei habe ich erfahren, dass ein großer Erfolg dieses Autors ein Buch mit dem Titel „Tschick“ war. Und als ich das Cover gesehen habe, erkannte ich es wieder. Als der Roman erschien ist mir das überaus bunte und auffällige Cover mehrmals aufgefallen; ich kann mich sogar erinnern, mir den Inhalt durchgelesen zu haben, aber einen Kauf nicht in Betracht gezogen habe.

Aus Ärger darüber, dass ich mir zwar das Covers dieses Romans, aber noch nicht einmal den Namen des Schriftstellers gemerkt hatte und meiner so offensichtlichen Oberflächlichkeit, empfand ich geradezu eine Art schlechtes Gewissen. Und als sei ich diesem Menschen etwas schuldig, habe ich mich weiter über sein Leben „hergemacht“. Gefunden habe ich nicht nur Romantitel, Auszeichnungen und Nominierungen, sondern auch einen Blog, indem der Autor Wolfgang Herrndorf seinen Kampf mit dem Krebs auf verstörende Weise beschreibt. Er hat diesen Kampf verloren.

Mir bleibt, in Zukunft etwas genauer hinter die Erschaffer der Werke zu schauen, denn vielleicht habe ich hier einen interessanten Menschen und das was er zu sagen hatte, geradezu verpasst. Schade drum aber nicht zu spät!


Hier geht’s zum Blog:
http://www.wolfgang-herrndorf.de

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Donnerstag, 22. August 2013
Kathrin Aehnlich „Wenn die Wale an Land gehen“
Die in Leipzig geborene Schriftstellerin nimmt uns mit in eine Zeit, in der Vinyl-Schallplatten heiß begehrt waren, Bücher nicht einfach zu kaufen waren. In der Jugendliche im Osten des Landes durch die Mauer von der Freiheit getrennt waren und mal still mal laut zu protestierten wagten. Levis Jeans, Fleischerhemden aber auch Janis Joplin und die Rolling Stones verkörperten die Unabhängigkeit, die alles vermissten.

An diese Zeit, die über viele Jahre zurückliegt, erinnert sich die Protagonistin Roswitha, als sie auf ihrer Scheidungsreise (“was ist wohl das Gegenteil von Honeymoon?“) in die USA fliegt, um ihre Jugendliebe Mick wiederzusehen. Mit ihm hat sie diese prägende Zeit erlebt. Doch im Gegensatz zu ihr ist er geflüchtet. Aufs geradewohl fliegt sie nach New York. Bei ihrer Suche nach Mick trifft sie auf viele, die damals durchgebrannt sind. Alle scheinen sie zu kennen, aus Mick’s Erzählungen, aber er selbst ist wie vom Erdboden verschluckt. Damals waren sie sich so nah; haben viele Stunden miteinander verbracht; mit lauter Jazzmusik haben sie sich in die ferne Welt geträumt, dem sozialistischen Alltag und allen Reglementierungen zum Trotz. Mick war immer anders und hat seine Wut und seinen Hass nie versteckt, und seine Liebe zur Musik, und zu Rose, wie er seine große Liebe nannte. Die Frage ist, ob diese ihren Mick findet oder bleibt er nur ein Gespenst aus der Vergangenheit, die Freundschaften und Leben gekostet hatte?

In einfühlsamen und ruhigen Worte erzählt Kathrin Aehnlich diese unaufgeregte Geschichte der DDR. Die Zeitfenster wechseln sich relativ schnell ab und schaffen so die Nähe von Gegenwart und Vergangenheit. Kritisch beschreibt sie den Alltag und die Schwierigkeiten im Kommunismus; die Zerrissenheit zwischen Loyalität und Verrat. Die Autorin drückt aber auch Wehmut nach der früheren Zeit aus, ohne übertrieben (n)ostalgisch zu werden; beschreibt Empfindungen ohne Trivialität. Der Text ist mit vielen Songzeilen gespickt, die man regelrecht zu hören glaubt. Aehnlich’s Sprache ist schon fast poetisch zu nennen; Sätze, die man fühlt. Ein Buch, das sich leicht liest, sofort fesselt und ein warmes ruhiges Gefühl hinterlässt.

Einzige Kritikpunkte: die Geschichte kommt nicht ganz ohne Klischees aus und die Dialoge wirken mitunter arg konstruiert. Das trübt aber nicht das Leseerlebnis!

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Montag, 19. August 2013
James Meek „Liebe und andere Parasiten“
Ritchie, ehemaliger Rockstar, mittlerweile Moderator einer Castingshow für junge Talente, hält sich für einen guten Kerl. Er kommt nicht auf die Idee, dass dies anders sein könnte, er ein schlechter Mensch sein könnte. Nicht etwa, weil er seine Frau betrügt, und das mit Minderjährigen; nicht weil er erwägt seine Schwester öffentlich zu denunzieren, um seine eigene Haut zu retten, nicht weil er dem Mörder seines Vaters verzeihen will, um eine gute Sendung zu machen und noch berühmter zu werden. Aber nein! Seine eher zweifelhafte Prominenz ist für ihn Beweis genug. Ritchie strotzt nur so vor Selbstverliebtheit und Arroganz.

Nicht so seine Schwester Rebecca. Sie agiert eher im Hintergrund, ist Wissenschaftlerin und forscht nach einem Mittel gegen Malaria. Dazu stellt sie ihren eigenen Körper als Wirt für einen Parasiten zur Verfügung, den sie später nach ihrem Vater benennt. Sie wirkt im Stillen. Nachdem sie sich trotz versprochener Hochzeit von ihrem Verlobten trennt, ist dieser, Val, Chefredakteur einer großen Zeitschrift, „not amused“ und stellt Ritchie vor eine folgenschwere Entscheidung: er veröffentlicht dessen Vorliebe für zu junge Mädchen oder Ritchie bietet ihm stattdessen einen Fehltritt seiner Schwester.

Damit bricht eine Lawine gegenseitiger Anschuldigungen und Denunziationen los. Davon betroffen ist bald auch Alex, ehemaliges Bandmitglied Ritchies, der schon lange in Rebecca verliebt ist. Selbst als erfolgreicher Wissenschaftler tätig entwickelt er ein Medikament gegen das Altern. Als Val dann von der Bildfläche verschwindet, wähnt Ritchie sich in Sicherheit und von den Erpressungsversuchen befreit. Wäre da nicht die Moral Foundation, ein Verein, der Prominente Verfehlungen an die Öffentlichkeit bringt. In Rebeccas späterem Erfolg in Beruf und Privatleben sieht Ritchie plötzlich seine Chance. Im Verrat „läge, so Ritchie, eine Art Güte; es war gefährlich für seine Schwester, in dem irrigen Glauben weiterzuleben, sie sei rechtschaffen.“ Also war es nicht gar seine Pflicht sie davon zu befreien?

Man muss ihn hassen, James Meek’s Protagonisten. Er ist schlitzohrig, gemein und dreht sich die Tatsachen nach seiner Fasson. Voller Sarkasmus und typisch englischem Witz schildert der Autor eine Geschichte über Verrat, über die Frage nach Richtig und Falsch und der eigenen Rechtschaffenheit. Clever und äußerst glaubwürdig beschreibt er seine vielen Figuren, die die Welt mitsamt seiner Menschen nicht gut dastehen läßt. Aber so ist er, der Homo sapiens!

Das war der erste Roman vom englischen Autor James Meek, den ich gelesen habe, aber mit Sicherheit nicht der letzte!

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Dienstag, 13. August 2013
Richard Ford „Kanada“ Hörbuch
gelesen von Christian Brückner

Der erste Satz dieses Buches „Zuerst will ich von dem Raubüberfall erzählen, den meine Eltern begangen haben, dann von den Morden, die später geschahen“ nimmt einerseits vieles vom Inhalt vorweg, macht aber gleichermaßen neugierig auf das was da kommt. Mit diesem ersten Satz gesprochen von Christian Brückner beginnt die Faszination dieses Romans. Brückner liest nicht, er erzählt, er lebt die Geschichte. Er WIRD zum Protagonist, dem Ich-Erzähler. Und das ist Dell Parsons, ein 66 jähriger Lehrer, der über sein Leben erzählt; seine Kindheit und Jugend. Denn die ist in keinem Falle „normal“ verlaufen und fand in den frühen 60er Jahren ein harsches Ende:

Dell lebt mit seiner Zwillingsschwester und seinen Eltern in eher bescheidenen Verhältnissen in Montana, USA. Die Familie ist schon oft umgezogen, und so erfüllt sich sein Traum eine Schule zu besuchen für Dell leider nicht. Aber in letzter Zeit, das spüren die Geschwister, ist irgendetwas im Gange. Der Leser weiß es bereits: die Eltern planen einen Banküberfall. Als es endlich nach langer Vorbereitung dazu kommt und Beth Parsons und seine Frau kurz darauf verhaftet werden, bleiben Dell und Berna zunächst alleine zurück. Nur noch einmal werden sie ihre Eltern sehen, im Gefängnis. Um den Behörden und dem Waisenhaus zu entgehen, bringt eine Freundin der Mutter Dell nach Kanada. Vermeintlich in ein neues, besseres Leben. Verunsichert, aber auch mit der Hoffnung auf seinen Traum, in eine Schule gehen zu können, folgt Dell seiner Retterin. Berna hat sich unterdessen mit ihrem Freund aus dem Staub gemacht, fest entschlossen, der Familie für immer den Rücken zu kehren.

In Kanada wird sich fortan Arthur Remlinger um Dell kümmern. Dieser gibt ihm einen Job in seinem heruntergekommenen Hotel, beachtet ihn aber anfänglich nicht. Also bleibt er alleine mit sich und seinen Grübeleien. Dell ist ein Denker. Fast schon philosophisch denkt er über die Menschen, deren Verhalten, das Leben und die Welt nach. Immer wieder rekapituliert er die Geschehnisse in seiner Kindheit. Wie ist es zu all dem gekommen, was hat er dazu beigetragen, und vor allem was wird ihn hier erwarten. Sein neues Dasein plätschert so dahin und ihm wird eines klar: der eigenen Vergangenheit kann er nicht entkommen, man kann sie nicht auslöschen, ihr nicht davonrennen. Diese Erkenntnis bleibt auch schon bald nicht mehr nur eine Theorie. Hat auch sein „Ziehvater“ eine dunkle Geschichte, und welche Rolle spielt Dell darin?

Wer aufgrund des ersten Satzes einen actiongeladenen Thriller erwartet, liegt falsch. Es handelt sich um ein tiefgründiges, nachdenkliches Portrait über das Leben, die Menschen und deren Verfehlungen, dem Schicksal und der Macht des Vergangenen. Die Kombination aus Richard Ford’s Gespür für Sprache und Christian Brückner’s Stimmgewaltigkeit schafft eine Mischung vom Allerfeinsten.


Dieser Roman lässt einen so schnell nicht los!

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Mittwoch, 7. August 2013
Zum 130. Geburtstag des Dichters Joachim Ringelnatz
Mit dem Namen Hans Gustav Bötticher wurde der große Humorist, Schriftsteller und Maler Joachim Ringelnatz am 07. August 1883 in der Nähe von Leipzig geboren. Das Humoristische und Künstlerische war ihm vom Vater in die Wiege gelegt und so veröffentlichte er schon Anfang des 20sten Jahrhunderts eigene Werke. Seine Gedichte und Zeichnungen orientierten sich stark am fünfzig Jahre früher geborenen Wilhelm Busch. Auch er war für seinen Witz und den spielerischen Umgang mit Sprache bekannt. Später sollten Kabarettisten wie Heinz Erhard und Robert Gernhard in seine Fußstapfen treten. Beeinflusst von dessen Humor und doppeldeutigen Scharfblick führten sie seine Arbeit fort.

Schon 1909 trat Ringelnatz in der Künstlerkneipe Simplicissimus auf und veröffentlichte später in der gleichnamigen satirischen Zeitschrift Gedichte und Sprüche. Nachdem er als „reisender Vortragskünstler“ auf deutschsprachigen Bühnen unterwegs war um stetiger Geldknappheit Abhilfe zu schaffen, widmete er sich zusätzlich der Malerei.

Wie so vielen Künstlern in dieser Zeit verhängten die Nationalsozialisten auch Joachim Ringelnatz 1933 ein Auftrittsverbot. Die meisten seiner Bücher landeten im Zuge der Bücherverbrennung auf dem Scheiterhaufen. Er starb am 17. November 1934 in Berlin. (Quellen sind unten als link angeführt)


Der Komiker

Ein Komiker von erstem Rang
Ging eine Straße links entlang.
Die Leute sagten rings umher
Hindeutend: Das ist der und der!
Der Komiker fuhr aus der Haut
Nach Haus und würgte seine Braut.
Nicht etwa wie von ungefähr,
Nein ernst, als ob das komisch wär.

(Joachim Ringelnatz)


Ausführlich kann sich hier über sein vielfältiges Leben und Schaffen informiert werden:

http://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Ringelnatz
http://gedichte.xbib.de/Ringelnatz_gedicht_Der+Komiker.htm
http://www.ringelnatzstiftung.de/content/view/69/27

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Freitag, 2. August 2013
Drüber gelesen: „Alles was wir geben mussten“
„(…) ein Science Fiction für Leute die keinen Science Fiction mögen“ so betitelte die TV-Today diese Woche den Film „Alles was wir geben mussten“ in Pro Sieben. Die Umsetzung des gleichnamigen Romans von Kazuo Ishiguro ist wahrhaftig ein solcher Film. Ein Sci-Fi, der gänzlich auf fliegende Autos und Monsterköpfe verzichten kann. Ein überaus trauriger und nachdenklicher Film.

Auf das Buch bin ich bereits im Jahre 2005, dem Jahr seines Erscheinens, aufmerksam geworden. In ihm wird auf ganz subtile Weise ein Zukunftsszenarium beschrieben, was bestürzt und ängstigt, aber auch gar nicht so weit ab von der Realität zu sein scheint. Zunächst glaubt sich der Leser in einem „normalen“ Schullandheim zu befinden, bis Worte wie „Spende“ oder „Aufseher“ fallen und eine „Madame“ die Kreativität der Schüler prüft. Irgendwann muss man sich fragen, was das alles zu bedeuten hat. Fragen häufen sich, je tiefer man in die Geschichte eintaucht. Auch hinterher bleibt vieles unklar. Der Autor schafft während des Lesens ein unterschwellig ungutes Gefühl, ohne dass man es zu benennen vermag. Das nenne ich die große Kunst eines Literaten!

Obwohl ich mich mit dem, was ich sonst lese weit ab vom Fiktionalen bewege, war ich absolut begeistert und hingerissen von diesem beeindruckenden Roman. Die Angst, ich könnte mir die Erinnerung des Lesevergnügens mit dem Anschauen des Filmes zunichtemachen, hat sich in keinster Weise bestätigt. Die Verfilmung mit Keira Knightley und Carey Mulligan ist meiner Meinung nach sehr gelungen und nimmt nichts vom Gefühl, das die Lektüre hinterlassen hat.

Super Buch, Super Film!

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Dienstag, 30. Juli 2013
Francesca Segal „Die Arglosen“
Die im Nordwesten von London angesiedelte jüdische Gemeinde hält fest zusammen. Ziva, Holocaust Überlebende, ist die Großmutter und Patriarchin des Gilbert-Clans. Dieser soll bald Familienzuwachs von Adam bekommen. Eigentlich gehört er schon lange dazu; seit zwölf Jahren genießt er nicht nur das uneingeschränkte Vertrauen aller, er hat auch eine Stelle in der Kanzlei seines zukünftigen Schwiegervaters. Auf eine gewisse Art ist Lawrence schon ein Ersatz für den zu früh verstorbenen Vater Adams geworden. Bald wird er ganz zur angesehenen Gilbertfamilie gehören, denn Adam wird Zivas Enkelin Rachel endlich heiraten, seine erste große Liebe. Längst ist alles arrangiert, als Adam plötzlich Zweifel plagen.

Schuld daran ist Rachels Cousine Elli, die eines Tages aus New York anreist, um in London zu leben. Sie ist so ganz anders als Adams Braut: unkonventionell, offen allem Neuen gegenüber, unabhängig und modern und vor allem frei von familiären Verpflichtungen und Verwicklungen. Ihr Ruf als Model und wilde umtriebige Frau eilt ihr voraus. Diese Eigenschaften rütteln die gesamte, sonst so in sich ruhende Gemeinde, auf. Alles, was Adam an Rachel früher so unwiderstehlich gefunden hatte, sieht er nun in einem anderen Licht. Ihre Bodenständigkeit interpretiert Adam auf einmal als spießig und langweilig, die Prinzipientreue und Opferbereitschaft als unreif, ihrer beider Horizont plötzlich als beschränkt. Der konservative Adam fühlt sich von Ellis Anwesenheit gleichermaßen angezogen wie abgestoßen. Jetzt gilt es, schnell zu heiraten, die Sache in die richtigen Bahnen zu bringen, um Zweifel und irregeleitete Empfindungen ein für alle Mal im Keim zu ersticken. So wächst sein innerer Kampf gegen die Regeln der Gemeinschaft, gegen seine eigene Moralvorstellung und alles, für was er bisher gelebt hat.

Diese Zerrissenheit spürt man als Leser am eigenen Leib. Die Autorin, die aus der Sicht Adams schreibt, erzählt psychologisch ausgefeilt und überaus intelligent dessen inneren Konflikt. Mal witzig, sarkastisch, humorvoll, mal nachdenklich. Francesca Segal weiß wie Männer ticken und so kriecht sie ganz feinfühlig in dessen Seele und lässt uns teilhaben an Adams Innenwelt.
Wir erfahren außerdem eine ganze Menge über jüdische Gepflogenheiten und Feiertage, sowie über die Macht der Gemeinschaft und Zugehörigkeit. Wer nach diesem Buch ohne Fragen nach der eigenen Lebenserwartung zurückbleibt, dem ist nicht zu helfen!


Ein Wahnsinns-Debüt!

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Mittwoch, 24. Juli 2013
Drüber gelesen: Der „unstillbare“ Drang……….
…..…junger Mütter, sich den Baby-Alltag von der Seele zu schreiben, hat jetzt wohl auch Lisa Feller heimgesucht(„Windeln haben kurze Beine“). Von Haus aus Comedien und angeblich Schauspielerin reiht sie sich ein in die endlos scheinende Gemeinde der Baby-Boom-Buchautoren. Schon wie Ildiky Kürthy, Sonya Kraus und seinerseits Susanne Fröhlich gibt es für diese Frauen nichts Spannenderes als die Beschäftigung mit ihren Kindern und die Beobachtung deren tollpatschiger Gebärden. Ist doch klar, dass das toll ist und Spaß macht und Freude und und und; es soll hier nicht den Eindruck entstehen, ich könnte das nicht nachvollziehen. Aber muss man darüber denn Bücher schreiben?

Schon seit Menschengedenken pflanzen wir uns unentwegt fort, und ich gehe mal davon aus, dass es doch im Großen und Ganzen überall das Gleiche ist (so ungefähr wenigstens). Die allgemeine Entwicklung von schrumpelig über putzig und süß zu ungezogen, undankbar und rebellisch haben jetzt doch schon einige mitgemacht. Also was bitte schön sollte bei Frau Feller nun anders oder witziger sein als bei Frau Hunz und Kunz? Dennoch finden derlei Unterhaltungsbücher reißenden Absatz. Na, wem‘s gefällt!

Da will ich doch hoffen, dass nicht auch noch die neugebackenen Eltern unseres „Royal Highness“ auf den Geschmack der Schriftstellerei kommen!

But for all that: Happy belated birthday, your Excellency!

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Montag, 22. Juli 2013
Jodi Picoult „In den Augen der Anderen“
Emma ist alleinerziehende Mutter zweier Söhne. Für eine regionale Zeitung in Vermont ist sie freiberuflich als „Kummerkastentante“ tätig. Hier erteilt sie jede Menge guter Ratschläge, von denen sie selbst ein paar gebrauchen könnte. Finanziell kommt sie gerade so über die Runden. Ihre gesamte Lebensenergie steckt Emma in die Erziehung ihrer Kinder, vor allem in Jacob. Er ist zwar der ältere der beiden, benötigt aber die meiste Aufmerksamkeit. Jacob leidet an einer Unterform des Autismus‘, dem Asperger-Syndrom. Das macht es ihm unmöglich Empathie zu entwickeln, Humor zu verstehen und auf „normale“ Weise mit anderen zu kommunizieren. Zeitlebens versucht Emma ihren Sohn zu schützen vor Ausgrenzung, Mobbing oder Diskriminierung. Die Krankheit verschlingt nicht nur die begrenzten finanziellen Mittel der Familie, sondern verlangt auch jedem eine Menge Geduld ab. Außergewöhnliche Regeln und Jacobs Zwänge und Eigenheiten bestimmen das Leben.

Jess, eine Pädagogikstudentin, erteilt Jacob zweimal in der Woche Unterricht in Sozialverhalten. Sie übt mit ihm Situation wie eine Unterhaltung im Restaurant oder etwa ein Kinobesuch. Sie scheint außerdem die Einzige, die Jacobs Vorliebe für Kriminaltechnik und Forensik verstehen kann. Denn auch diese Fixierung auf ein bestimmtes Thema gehört zu den umfangreichen Symptomen des Asperger-Syndroms. Als Jess sich verliebt und ihren Freund Mark immer häufiger in die Treffen mit Jacob einbezieht, kommt es zum Streit zwischen den Dreien. Jacobs Welt steht Kopf und bald darauf wird Jess tot aufgefunden.

Jacob wird festgenommen und gerät so in die Mühlen einer „neurotypischen Welt“, in der es schwer ist, sich und sein Handeln zu erklären. Denn nicht jeder glaubt an seine Unschuld.

Jodi Picoult schlingert meiner Meinung nach häufig am Abgrund zum Schund; stets mit erhobenem Zeigefinger und als Sprachrohr der Vernachlässigten und Diskriminierten. Auch das Thema in diesem Buch macht es sicher notwendig darüber zu schreiben, aber an manchen Stellen ähnelt der Inhalt einer Abhandlung über Autismus. Zu häufig sind die erschöpfenden Beschreibungen und immer wiederkehrenden Dialoge. Das Thema selbst wird mit der Zeit langweilig, nicht aber die Art, wie Jodi Picoult dieses Drama beschreibt. Überaus gekonnt lässt die Autorin all ihre Protagonisten zu Wort kommen und die Geschichte auf deren Weise erzählen. Diese Wechsel der Perspektiven, die sich auch typografisch voneinander unterscheiden, sorgen für Spannung und Kurzweil. Die langen Gerichtsszenen erinnern an John Grisham‘s Bücher. Als Krimi würde ich diesen Roman dennoch nicht beschreiben; dafür fehlt ihm einfach die Raffinesse.

Über einige Unebenheiten, Wiederholungen und Vorhersehbarkeiten sollte der Leser hinwegsehen können.


Mehr über die Autorin:
http://www.piper.de/autoren/jodi-picoult-163

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