Dienstag, 30. Juli 2013
Francesca Segal „Die Arglosen“
Die im Nordwesten von London angesiedelte jüdische Gemeinde hält fest zusammen. Ziva, Holocaust Überlebende, ist die Großmutter und Patriarchin des Gilbert-Clans. Dieser soll bald Familienzuwachs von Adam bekommen. Eigentlich gehört er schon lange dazu; seit zwölf Jahren genießt er nicht nur das uneingeschränkte Vertrauen aller, er hat auch eine Stelle in der Kanzlei seines zukünftigen Schwiegervaters. Auf eine gewisse Art ist Lawrence schon ein Ersatz für den zu früh verstorbenen Vater Adams geworden. Bald wird er ganz zur angesehenen Gilbertfamilie gehören, denn Adam wird Zivas Enkelin Rachel endlich heiraten, seine erste große Liebe. Längst ist alles arrangiert, als Adam plötzlich Zweifel plagen.

Schuld daran ist Rachels Cousine Elli, die eines Tages aus New York anreist, um in London zu leben. Sie ist so ganz anders als Adams Braut: unkonventionell, offen allem Neuen gegenüber, unabhängig und modern und vor allem frei von familiären Verpflichtungen und Verwicklungen. Ihr Ruf als Model und wilde umtriebige Frau eilt ihr voraus. Diese Eigenschaften rütteln die gesamte, sonst so in sich ruhende Gemeinde, auf. Alles, was Adam an Rachel früher so unwiderstehlich gefunden hatte, sieht er nun in einem anderen Licht. Ihre Bodenständigkeit interpretiert Adam auf einmal als spießig und langweilig, die Prinzipientreue und Opferbereitschaft als unreif, ihrer beider Horizont plötzlich als beschränkt. Der konservative Adam fühlt sich von Ellis Anwesenheit gleichermaßen angezogen wie abgestoßen. Jetzt gilt es, schnell zu heiraten, die Sache in die richtigen Bahnen zu bringen, um Zweifel und irregeleitete Empfindungen ein für alle Mal im Keim zu ersticken. So wächst sein innerer Kampf gegen die Regeln der Gemeinschaft, gegen seine eigene Moralvorstellung und alles, für was er bisher gelebt hat.

Diese Zerrissenheit spürt man als Leser am eigenen Leib. Die Autorin, die aus der Sicht Adams schreibt, erzählt psychologisch ausgefeilt und überaus intelligent dessen inneren Konflikt. Mal witzig, sarkastisch, humorvoll, mal nachdenklich. Francesca Segal weiß wie Männer ticken und so kriecht sie ganz feinfühlig in dessen Seele und lässt uns teilhaben an Adams Innenwelt.
Wir erfahren außerdem eine ganze Menge über jüdische Gepflogenheiten und Feiertage, sowie über die Macht der Gemeinschaft und Zugehörigkeit. Wer nach diesem Buch ohne Fragen nach der eigenen Lebenserwartung zurückbleibt, dem ist nicht zu helfen!


Ein Wahnsinns-Debüt!

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