Donnerstag, 4. April 2019
Demian Lienhard „Ich bin die, vor der mich meine Mutter gewarnt hat“
„Lebende, denke ich, verändern sich die ganze Zeit. […] Aber ein Toter, ist etwas Endgültiges.“ (Seite 56)

Der Jugendlichen Alba geht es nicht wirklich gut, sie leidet. Ja, woran eigentlich? Sie leidet an der Welt und dem Leben im Allgemeinen und den vielen Verlusten, die sie in ihren jungen Jahren schon hinnehmen musste, im Speziellen. Denn, man muss es so sagen, es wird viel gestorben in ihrem Umfeld. Schon einige aus ihrer Schule haben sich von der nahe gelegenen Brücke gestürzt. Und auch zu Hause war sie bereits mit dem Tod konfrontiert und bleibt mit ihrer Mutter, mit der sie sich nicht allzu gut versteht, alleine zurück.

Im Krankenhaus liegend scheint sie etwas Abstand von alledem zu kriegen. Hier trifft sie nicht nur eine Mitschülerin und kommt dem Gehilfen der Cafeteria etwas näher, sondern lernt Jack kennen, der eigentlich René heißt und in den sie sich unsterblich verliebt. Bei ihnen allen gibt sie sich wortgewandt, frech und gewitzt, weiß ihre innerliche Zerrissenheit gut zu verstecken. In Jacks Zuhause, bei seinen Eltern, findet sie bald das, was ihr zu fehlen scheint: Aufmerksamkeit, Liebe und Geborgenheit. Aber auch diese Familie ist längst nicht mehr vollständig. Trotzdem denkt Alba, dass sich ihr Leben von nun an in eine andere Richtung entwickeln wird. Bis zu einem Problem, das sich so einfach nicht lösen lässt. Sie gerät in einen Abwärtsstrudel und in ein gesellschaftliches Milieu, das sich keine Mutter für ihre Tochter wünschen würde.

Der Autor versetzt sich in seinem Debütroman ganz in die Lage seiner Protagonistin, erzählt aus deren Sicht und in der Gegenwartsform. Dadurch wird die Unmittelbarkeit der Geschehnisse deutlich. Allerdings hat mir Albas teilweise pubertäres Geplapper einiges an Geduld und Durchhaltevermögen abverlangt. Die teilweise verquere Satzstellung verhinderte oftmals ein flüssiges Lesen („Jack war sauer auf mich deswegen und ich war es. Aber ich war auch sauer auf Jack. Er war nicht sauer auf Jack. Sauer auf mich war ich, […] Seite 202). Ebenso gestört haben mich Albas merkwürdige Metaphern, so “kleben Blicke wie Wachsstreifen“ oder sie fühlt sich “wie eine traurige Ölpumpe aus einem Film mit postnuklearen Motorradfahrern“.

Tatsächlich schafft es der Autor, bzw. Alba, in der ersten Hälfte des Romans seitenlang zu reden, ohne jedoch wirklich viel gesagt zu haben. Dann aber nimmt die Geschichte an Fahrt auf und wir werden Zeuge eines dramatischen, sozialen Abstiegs.

Demian Lienhard beschreibt sehr eindringlich eine Generation in der Schweiz der achtziger Jahre, die sich einerseits politisch engagiert, demonstriert und sich so für die Gesellschaft einsetzen will, sich andererseits aber auch durch eigenes Verschulden in den sozialen Abgrund befördert. Hier ist meiner Meinung nach ein schwieriges Thema zu gewollt und bemüht in die flapsige Sprache einer Jugendlichen gepackt. Ein Aufrütteln und Nachdenken über die Problematik ist aber auf jeden Fall gelungen.

Kein Rundum-sorglos-Roman, der aber sicher seine Leser finden wird!

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