... newer stories
Mittwoch, 2. Oktober 2013
Alexander Söderberg „Unbescholten“
liva, 13:01h

Sprachlich gleicht das Werk einem zweitklassigen Groschenroman. Die Dialoge, dürftig und billig wie am Gangsterstammtisch – nicht das ich je einem solchen beigewohnt hätte. Personenbeschreibungen beschränken sich auf „langhaarig, grauhaarig, Glatze und gelockt“; auch Adjektive wie schön, schlank, kräftig und braungebrannt lassen die Figuren nicht lebhafter werden. Zu alledem finden sich auf den ersten zehn Seiten unzählige Druckfehler, über die man bei adäquatem Inhalt hinwegsehen könnte.
Von der Presse bereits im selben Atemzug wie Stig Larson genannt soll auch dieser Roman, dem noch zwei weitere folgen, in Bälde verfilmt werden. Meiner Meinung nach hinkt der Vergleich gewaltig. Vielleicht wird mich aber auch hier der Spielfilm mehr überzeugen können.
Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, KONNTE diesen Roman aber nicht zu Ende lesen. Zu klischeeüberladen das Buch und ich nicht nur desinteressiert am Ausgang der Geschichte, nein, es stellte sich gar ein Fremdschämen dem Autor gegenüber ein. Die Auswahl eines Buches ist und bleibt aber schließlich eine Frage des persönlichen Geschmackes, für mich steht daher fest:
Dieser Thriller ist organisiertes Verbrechen an mir, der Leserin!
... link (0 Kommentare) ... comment
Montag, 30. September 2013
Justin Torres „Wir Tiere“
liva, 12:11h

Der Autor beschreibt seine Charaktere anhand deren Verhalten; dessen was sie tun, oder auch nicht tun. Man liebt und hasst sie gleichermaßen. Zunächst glaubt man sich dennoch in der Erzählung einer typisch amerikanischen Familie zu befinden, die in armen Verhältnissen lebt. Die Situationen, die vom Jüngsten der Brüder geschildert werden sind mal lustig, mal anrührend und mal beängstigend; wie im richtigen Leben eben. Irgendwann allerdings kippt diese Stimmung. Sie wird gefährlicher, ernsthafter. Dunkle Ahnungen, die sich beim Lesen vielleicht schon angedeutet hatten, werden plötzlich klarer. Ab jetzt kann man nicht mehr wegsehen, obwohl man hofft, dass sich diese Ahnungen nicht bewahrheiten.
Dieser „Bruch“ in der Wahrnehmung des Gelesenen passiert schleichend. Sogar die Sprache ändert sich mit der Zeit. Plötzlich, ohne dass man es auf Anhieb begreift, spricht einen der Erzähler geradezu an, man wird zum Zeugen, ja vielleicht sogar mit in die Verantwortung gezogen für das Geschehene. Justin Torres ist unheimlich geschickt darin, den Leser zu lenken, ihn emotional zu manipulieren, bringt uns gedanklich an einen Punkt, wo man eigentlich nicht hin will. Er lässt uns zwischen den Zeilen lesen und baut eine unglaubliche Spannung auf, die einen sofort in Bann zieht, von der ersten Seite an.
Nur wenige Stunden hat es gedauert diesen schmalen aber inhaltsschweren Roman zu lesen, aber mindestens ebenso viele Stunden habe ich über das Gelesene nachgedacht, ja sogar im Buch zurückgeblättert, um sicher zu gehen, nichts überlesen zu haben. Auch wenn es mich tief betroffen zurücklässt, wird es eines der ganz seltenen Bücher sein, das ich noch einmal lesen werde!
... link (0 Kommentare) ... comment
Dienstag, 24. September 2013
Andreas Schäfer „Gesichter“
liva, 12:48h

Erst zuhause bemerkt Gabor, dass sich in der Einkaufstasche die Ansichtskarten, adressiert an seine eigene Frau, befanden. Stets schreibt er diese im Urlaubsort, um sie später nach und nach abzusenden. So meint er, die schönste Zeit des Jahres gedanklich zu verlängern. Diese Geste könnte ihm jetzt zum Verhängnis werden, denn der Flüchtling kennt nun seine Anschrift. Von diesem Moment an fühlt sich Gabor beobachtet und verfolgt. Das verstärkt sich, als eines Tages die erste Karte eintrifft.
„Doch er war in der Nähe, das spürte Gabor, so wie man das Meer spürt, schon Kilometer bevor man die Küste erreicht, so wie man weiß, dass es im Laufe des Tages regnen wird.“
Sein gesamtes Handel und Denken ist fortan nur der Idee geschuldet, dass der Fremde ihn und seine Familie findet. Sein wohlgeordnetes Leben gerät aus den Fugen. Die Angst steigert sich bis zu einer Paranoia. Gabor wird getrieben und als dann seine vierzehnjährige Tochter verschwindet, glaubt er, nur eins und eins zusammenzählen zu müssen.
Der Autor Andreas Schäfer bedient sich der Macht des Unausgesprochenen, der Macht von Vorurteilen und der Angst allem Fremden gegenüber. Geschickt konstruiert er die Panik eines Menschen, der sich diese selbst schafft. Der Leser weiß lange nicht, was der Wirklichkeit entspricht und was sich lediglich um Hirngespinste des Arztes handelt. Ungewöhnlich ist, wie der Schriftsteller über Gesichter schreibt ohne sie darzustellen. Obwohl das des Flüchtlings nahezu unbekannt bleibt, keine bildliche Beschreibung erfolgt, glaubt man doch es vor dem inneren Auge genau sehen zu können.
In einfacher Sprache und chronologisch erzählt lässt Andreas Schäfer uns in die Psyche der Menschen blicken, setzt der Gesellschafft einen Spiegel vor und behandelt hier das aktuelle Thema der Flüchtlingsproblematik. Nicht alles kommt hier zu einem schlüssigen Ende, das Buch ist aber dennoch lesenswert.
Ein bedrückender Roman, der einen nachdenklich werden lässt.
... link (0 Kommentare) ... comment
Donnerstag, 12. September 2013
Zum einjährigen Bestehen dieses Blogs
liva, 13:44h
Glückwunsch mir selbst!
Wenn es denn sonst keiner tut, muss ich mich selbst feiern. Seit genau 365 Tagen arbeite ich an diesem Blog. Für manch einen mag das nichts Besonderes sein, für mich schon. Aus einer verrückten Idee heraus und weil ich meine Leseerfahrungen teilen wollte, entschloss ich mich zu einem Blog über Bücher und Literatur. Problem war nur, dass ich von alledem nichts verstand und keine Ahnung hatte, wie das so funktioniert mit dem Bloggen. Also hab ich mich erst von einem Online-Experten beraten lassen und ihn gefragt, ob ich wegen meiner doch sehr bescheidenen Computerkenntnis nicht doch lieber Socken stricken soll und das Bloggen der Jugend überlassen. Er hat mir Mut gemacht.
Auch blogger.de hat mir die Entscheidung vereinfacht: Eigenen Blog erstellen klick, URL eintragen klick, veröffentlichen klick, Sie sind jetzt online! Und ehe ich mich versah, schrieb ich meine erste Rezension. Das Layout hab ich mir irgendwie zusammengeschustert und einige freundliche Menschen hier hatten überaus viel Geduld und beantworteten mir ungelenke Fragen. Fertig ist der Blog noch immer nicht, ich möchte noch so Allerlei verbessern, weiß aber noch nicht genau wie ich das bewerkstelligen kann. Weitere Unterstützung fand ich bei den seitlich aufgeführten Verlagen. Danke dafür! Und so habe ich bis jetzt sage und schreibe 32 Artikel rund ums Thema Literatur verfasst, 24 Rezensionen über Bücher und 8 Besprechungen von Hörbüchern veröffentlicht. Ich finde, das kann sich sehen lassen. Obwohl ich weiß, dass Eigenlob stinkt:
GUT GEMACHT, LIVA!!!
Wenn es denn sonst keiner tut, muss ich mich selbst feiern. Seit genau 365 Tagen arbeite ich an diesem Blog. Für manch einen mag das nichts Besonderes sein, für mich schon. Aus einer verrückten Idee heraus und weil ich meine Leseerfahrungen teilen wollte, entschloss ich mich zu einem Blog über Bücher und Literatur. Problem war nur, dass ich von alledem nichts verstand und keine Ahnung hatte, wie das so funktioniert mit dem Bloggen. Also hab ich mich erst von einem Online-Experten beraten lassen und ihn gefragt, ob ich wegen meiner doch sehr bescheidenen Computerkenntnis nicht doch lieber Socken stricken soll und das Bloggen der Jugend überlassen. Er hat mir Mut gemacht.
Auch blogger.de hat mir die Entscheidung vereinfacht: Eigenen Blog erstellen klick, URL eintragen klick, veröffentlichen klick, Sie sind jetzt online! Und ehe ich mich versah, schrieb ich meine erste Rezension. Das Layout hab ich mir irgendwie zusammengeschustert und einige freundliche Menschen hier hatten überaus viel Geduld und beantworteten mir ungelenke Fragen. Fertig ist der Blog noch immer nicht, ich möchte noch so Allerlei verbessern, weiß aber noch nicht genau wie ich das bewerkstelligen kann. Weitere Unterstützung fand ich bei den seitlich aufgeführten Verlagen. Danke dafür! Und so habe ich bis jetzt sage und schreibe 32 Artikel rund ums Thema Literatur verfasst, 24 Rezensionen über Bücher und 8 Besprechungen von Hörbüchern veröffentlicht. Ich finde, das kann sich sehen lassen. Obwohl ich weiß, dass Eigenlob stinkt:
GUT GEMACHT, LIVA!!!
... link (2 Kommentare) ... comment
Dienstag, 10. September 2013
Wolfram Fleischhauer „Schweigend steht der Wald“
liva, 14:18h

Das Verschwinden des Vaters vor 20 Jahren hat nicht nur bei der Mutter sondern auch bei Anja Spuren hinterlassen. Während die Mutter nach einem missglückten Suizid zuhause betreut werden muss, nimmt Anja einen Praktikumsplatz in der Forstverwaltung Waldmünchen an. Ganz in der Nähe des Ortes, in dem sie als Kind mit ihren Eltern die Sommerferien verbracht hat. Ihr Vater war Biologielehrer und an Fauna und Flora sehr interessiert. Im nahegelegenen Wald verschwand er dann für immer. Da war Anja acht. Und in eben diesem Wald nimmt Anja jetzt Bodenproben und stößt dabei nicht nur auf ihre Vergangenheit und auf alte Bekannte, sondern entdeckt Auffälligkeiten in der Bodenbeschaffung. Und damit kommt ein Stein ins Rollen, der nicht mehr aufzuhalten ist. Die Bevölkerung ist zunehmend beunruhigt, lang Vergessenes tritt wieder an die Oberfläche, zum Leidwesen aller Beteiligten. Was geschah damals und ist es wirklich sinnvoll, lange Verdrängtes und Verloschenes aufzudecken? Denn was befindet sich darunter?
Mit ihrem Wissen sieht Anja mehr als andere, blickt tief in die Erde des Waldes und in die Vergangenheit. Die Atmosphäre dessen wird in jeder Seite des Romans spürbar; die sich zuspitzende, feindliche Gesinnung den Dorfbewohnern gegenüber und in den Familien untereinander greifbar. Familienverhältnisse gibt der Autor häppchenweise preis, so dass langsam ein Bild der Zusammenhänge entsteht. Die Charaktere sind glaubhaft und interessant beschrieben und lassen den Leser an deren Innenleben lebhaft teilhaben. Man bleibt, wie die Protagonistin selbst, lange im Unklaren über das was passiert ist. Auch Anja weiß am Ende, dass manchmal etwas nicht zu tun ebenso sträflich sein kann wie etwas zu tun.
Fesselnd und unterhaltsam besticht dieser Krimi mit Psychologie und Einfühlung. So bildlich erzählt, dass man glaubt, man steht im Wald ;-)
Erfrischend anders, erfrischend knackig, erfrischend deutsch!
http://www.wolfram-fleischhauer.de
... link (0 Kommentare) ... comment
Mittwoch, 4. September 2013
Drüber gelesen: Der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf ist tot
liva, 20:40h
Letzte Woche habe ich irgendwo gelesen, dass sich ein Schriftsteller namens Wolfgang Herrndorf das Leben genommen hat. Ich hatte diesen Namen nie gehört. Es ist meiner angeborenen Neugierde gegenüber geschuldet, dass ich im Internet recherchiert habe. Dabei habe ich erfahren, dass ein großer Erfolg dieses Autors ein Buch mit dem Titel „Tschick“ war. Und als ich das Cover gesehen habe, erkannte ich es wieder. Als der Roman erschien ist mir das überaus bunte und auffällige Cover mehrmals aufgefallen; ich kann mich sogar erinnern, mir den Inhalt durchgelesen zu haben, aber einen Kauf nicht in Betracht gezogen habe.
Aus Ärger darüber, dass ich mir zwar das Covers dieses Romans, aber noch nicht einmal den Namen des Schriftstellers gemerkt hatte und meiner so offensichtlichen Oberflächlichkeit, empfand ich geradezu eine Art schlechtes Gewissen. Und als sei ich diesem Menschen etwas schuldig, habe ich mich weiter über sein Leben „hergemacht“. Gefunden habe ich nicht nur Romantitel, Auszeichnungen und Nominierungen, sondern auch einen Blog, indem der Autor Wolfgang Herrndorf seinen Kampf mit dem Krebs auf verstörende Weise beschreibt. Er hat diesen Kampf verloren.
Mir bleibt, in Zukunft etwas genauer hinter die Erschaffer der Werke zu schauen, denn vielleicht habe ich hier einen interessanten Menschen und das was er zu sagen hatte, geradezu verpasst. Schade drum aber nicht zu spät!
Hier geht’s zum Blog:
http://www.wolfgang-herrndorf.de
Aus Ärger darüber, dass ich mir zwar das Covers dieses Romans, aber noch nicht einmal den Namen des Schriftstellers gemerkt hatte und meiner so offensichtlichen Oberflächlichkeit, empfand ich geradezu eine Art schlechtes Gewissen. Und als sei ich diesem Menschen etwas schuldig, habe ich mich weiter über sein Leben „hergemacht“. Gefunden habe ich nicht nur Romantitel, Auszeichnungen und Nominierungen, sondern auch einen Blog, indem der Autor Wolfgang Herrndorf seinen Kampf mit dem Krebs auf verstörende Weise beschreibt. Er hat diesen Kampf verloren.
Mir bleibt, in Zukunft etwas genauer hinter die Erschaffer der Werke zu schauen, denn vielleicht habe ich hier einen interessanten Menschen und das was er zu sagen hatte, geradezu verpasst. Schade drum aber nicht zu spät!
Hier geht’s zum Blog:
http://www.wolfgang-herrndorf.de
... link (0 Kommentare) ... comment
Donnerstag, 22. August 2013
Kathrin Aehnlich „Wenn die Wale an Land gehen“
liva, 12:21h

An diese Zeit, die über viele Jahre zurückliegt, erinnert sich die Protagonistin Roswitha, als sie auf ihrer Scheidungsreise (“was ist wohl das Gegenteil von Honeymoon?“) in die USA fliegt, um ihre Jugendliebe Mick wiederzusehen. Mit ihm hat sie diese prägende Zeit erlebt. Doch im Gegensatz zu ihr ist er geflüchtet. Aufs geradewohl fliegt sie nach New York. Bei ihrer Suche nach Mick trifft sie auf viele, die damals durchgebrannt sind. Alle scheinen sie zu kennen, aus Mick’s Erzählungen, aber er selbst ist wie vom Erdboden verschluckt. Damals waren sie sich so nah; haben viele Stunden miteinander verbracht; mit lauter Jazzmusik haben sie sich in die ferne Welt geträumt, dem sozialistischen Alltag und allen Reglementierungen zum Trotz. Mick war immer anders und hat seine Wut und seinen Hass nie versteckt, und seine Liebe zur Musik, und zu Rose, wie er seine große Liebe nannte. Die Frage ist, ob diese ihren Mick findet oder bleibt er nur ein Gespenst aus der Vergangenheit, die Freundschaften und Leben gekostet hatte?
In einfühlsamen und ruhigen Worte erzählt Kathrin Aehnlich diese unaufgeregte Geschichte der DDR. Die Zeitfenster wechseln sich relativ schnell ab und schaffen so die Nähe von Gegenwart und Vergangenheit. Kritisch beschreibt sie den Alltag und die Schwierigkeiten im Kommunismus; die Zerrissenheit zwischen Loyalität und Verrat. Die Autorin drückt aber auch Wehmut nach der früheren Zeit aus, ohne übertrieben (n)ostalgisch zu werden; beschreibt Empfindungen ohne Trivialität. Der Text ist mit vielen Songzeilen gespickt, die man regelrecht zu hören glaubt. Aehnlich’s Sprache ist schon fast poetisch zu nennen; Sätze, die man fühlt. Ein Buch, das sich leicht liest, sofort fesselt und ein warmes ruhiges Gefühl hinterlässt.
Einzige Kritikpunkte: die Geschichte kommt nicht ganz ohne Klischees aus und die Dialoge wirken mitunter arg konstruiert. Das trübt aber nicht das Leseerlebnis!
... link (0 Kommentare) ... comment
Montag, 19. August 2013
James Meek „Liebe und andere Parasiten“
liva, 13:34h

Nicht so seine Schwester Rebecca. Sie agiert eher im Hintergrund, ist Wissenschaftlerin und forscht nach einem Mittel gegen Malaria. Dazu stellt sie ihren eigenen Körper als Wirt für einen Parasiten zur Verfügung, den sie später nach ihrem Vater benennt. Sie wirkt im Stillen. Nachdem sie sich trotz versprochener Hochzeit von ihrem Verlobten trennt, ist dieser, Val, Chefredakteur einer großen Zeitschrift, „not amused“ und stellt Ritchie vor eine folgenschwere Entscheidung: er veröffentlicht dessen Vorliebe für zu junge Mädchen oder Ritchie bietet ihm stattdessen einen Fehltritt seiner Schwester.
Damit bricht eine Lawine gegenseitiger Anschuldigungen und Denunziationen los. Davon betroffen ist bald auch Alex, ehemaliges Bandmitglied Ritchies, der schon lange in Rebecca verliebt ist. Selbst als erfolgreicher Wissenschaftler tätig entwickelt er ein Medikament gegen das Altern. Als Val dann von der Bildfläche verschwindet, wähnt Ritchie sich in Sicherheit und von den Erpressungsversuchen befreit. Wäre da nicht die Moral Foundation, ein Verein, der Prominente Verfehlungen an die Öffentlichkeit bringt. In Rebeccas späterem Erfolg in Beruf und Privatleben sieht Ritchie plötzlich seine Chance. Im Verrat „läge, so Ritchie, eine Art Güte; es war gefährlich für seine Schwester, in dem irrigen Glauben weiterzuleben, sie sei rechtschaffen.“ Also war es nicht gar seine Pflicht sie davon zu befreien?
Man muss ihn hassen, James Meek’s Protagonisten. Er ist schlitzohrig, gemein und dreht sich die Tatsachen nach seiner Fasson. Voller Sarkasmus und typisch englischem Witz schildert der Autor eine Geschichte über Verrat, über die Frage nach Richtig und Falsch und der eigenen Rechtschaffenheit. Clever und äußerst glaubwürdig beschreibt er seine vielen Figuren, die die Welt mitsamt seiner Menschen nicht gut dastehen läßt. Aber so ist er, der Homo sapiens!
Das war der erste Roman vom englischen Autor James Meek, den ich gelesen habe, aber mit Sicherheit nicht der letzte!
... link (0 Kommentare) ... comment
Dienstag, 13. August 2013
Richard Ford „Kanada“ Hörbuch
liva, 12:20h

Der erste Satz dieses Buches „Zuerst will ich von dem Raubüberfall erzählen, den meine Eltern begangen haben, dann von den Morden, die später geschahen“ nimmt einerseits vieles vom Inhalt vorweg, macht aber gleichermaßen neugierig auf das was da kommt. Mit diesem ersten Satz gesprochen von Christian Brückner beginnt die Faszination dieses Romans. Brückner liest nicht, er erzählt, er lebt die Geschichte. Er WIRD zum Protagonist, dem Ich-Erzähler. Und das ist Dell Parsons, ein 66 jähriger Lehrer, der über sein Leben erzählt; seine Kindheit und Jugend. Denn die ist in keinem Falle „normal“ verlaufen und fand in den frühen 60er Jahren ein harsches Ende:
Dell lebt mit seiner Zwillingsschwester und seinen Eltern in eher bescheidenen Verhältnissen in Montana, USA. Die Familie ist schon oft umgezogen, und so erfüllt sich sein Traum eine Schule zu besuchen für Dell leider nicht. Aber in letzter Zeit, das spüren die Geschwister, ist irgendetwas im Gange. Der Leser weiß es bereits: die Eltern planen einen Banküberfall. Als es endlich nach langer Vorbereitung dazu kommt und Beth Parsons und seine Frau kurz darauf verhaftet werden, bleiben Dell und Berna zunächst alleine zurück. Nur noch einmal werden sie ihre Eltern sehen, im Gefängnis. Um den Behörden und dem Waisenhaus zu entgehen, bringt eine Freundin der Mutter Dell nach Kanada. Vermeintlich in ein neues, besseres Leben. Verunsichert, aber auch mit der Hoffnung auf seinen Traum, in eine Schule gehen zu können, folgt Dell seiner Retterin. Berna hat sich unterdessen mit ihrem Freund aus dem Staub gemacht, fest entschlossen, der Familie für immer den Rücken zu kehren.
In Kanada wird sich fortan Arthur Remlinger um Dell kümmern. Dieser gibt ihm einen Job in seinem heruntergekommenen Hotel, beachtet ihn aber anfänglich nicht. Also bleibt er alleine mit sich und seinen Grübeleien. Dell ist ein Denker. Fast schon philosophisch denkt er über die Menschen, deren Verhalten, das Leben und die Welt nach. Immer wieder rekapituliert er die Geschehnisse in seiner Kindheit. Wie ist es zu all dem gekommen, was hat er dazu beigetragen, und vor allem was wird ihn hier erwarten. Sein neues Dasein plätschert so dahin und ihm wird eines klar: der eigenen Vergangenheit kann er nicht entkommen, man kann sie nicht auslöschen, ihr nicht davonrennen. Diese Erkenntnis bleibt auch schon bald nicht mehr nur eine Theorie. Hat auch sein „Ziehvater“ eine dunkle Geschichte, und welche Rolle spielt Dell darin?
Wer aufgrund des ersten Satzes einen actiongeladenen Thriller erwartet, liegt falsch. Es handelt sich um ein tiefgründiges, nachdenkliches Portrait über das Leben, die Menschen und deren Verfehlungen, dem Schicksal und der Macht des Vergangenen. Die Kombination aus Richard Ford’s Gespür für Sprache und Christian Brückner’s Stimmgewaltigkeit schafft eine Mischung vom Allerfeinsten.
Dieser Roman lässt einen so schnell nicht los!
... link (0 Kommentare) ... comment
... older stories