Donnerstag, 16. Oktober 2014
Louis Begley: „Erinnerungen an eine Ehe“ Hörbuch
gelesen von Christian Brückner


Phillip, ein in die Jahre gekommener Romancier, trifft im New Yorker Central Park auf Lucy, eine alte Bekannte. Er selbst ist noch nicht über den tragischen Tod seiner Ehefrau Bella hinweg, und weil er sich gut an die lebenslustige Art Lucys erinnern kann, lässt er sich wiederstrebend auf diverse Treffen mit ihr ein. Doch bald schon muss er feststellen, dass Lucy eine andere geworden ist. Sie ist verbittert, enttäuscht und scheint ihren Humor gänzlich verloren zu haben.

Aus lockeren Plaudereien über alte Zeiten, die Phillip schmerzlich mit den vergangenen Jahren konfrontiert, entspinnt Lucy eine Erzählung und erinnert sich an ihre eigene Ehe mit Tom. Schon mehr als zwanzig Jahre sind sie getrennt und Tom ist vor einiger Zeit bei einem Unfall ums Leben gekommen. Er, Tom, ein unscheinbarer Mann aus der Unterschicht habe sie, vermögend aus gutem Hause ausgenutzt. Er habe sich in die gehobene Gesellschaft einführen lassen und sie als Trittbrett für den eigenen finanziellen Aufstieg gebraucht. Betrogen habe er sie und sie dann später, als erfolgreicher Finanzier, verlassen. Sie redet sich derart in Rage, dass es Phillip mehr als unangenehm ist. Sie wird zunehmend emotional und in ihrem Ausdruck bisweilen ausufernd. Sie wirkt frustriert, empört und alleingelassen. Sie gibt sich als Opfer einer Ehe mit einem Mann, der sie lediglich ausgenutzt und getäuscht habe. Phillip werden diese Besuche mehr und mehr unerträglich.

Jedoch ist eine Erinnerung immer subjektiv, betrachtet man sie nur von einer Seite. Also beschließt Phillip auch alte Bekannte des Ehepaars und gemeinsame Freunde anzuhören und über die Ehe zu befragen, um sich ein genaueres Bild machen zu können. Daraus ergibt sich ein ganz anderes Bild. Aus anderen Blickwinkeln erzählt scheint auch Tom ein Opfer gewesen zu sein. Gerade an seinem aktuellen Roman schreibend beschließt Phillip bald aus diesen Berichten einen eigenen Roman zu machen.

Wer könnte diese intelligent und intellektuell erzählte Geschichte besser schreiben als der Autor Louis Begley. In langen verschachtelten Sätzen erzählt Begley eindringlich und sensibel. Und wer könnte den Ich-Erzähler besser repräsentieren als Christian Brückner mit seiner dunklen Stimme und seinem langsamen, akzentuierten Ausdruck. Der Roman lässt sich allerdings nicht einfach “nebenher“ hören, sondern kostet einiges an Konzentration. Begleys Sprache hat es in sich!

Für Leser, die intelligentes Geplauder, Anspruch und Tiefgang nicht scheuen ein überaus empfehlenswertes Hörbuch, dass mit Sicherheit als Buch gelesen noch mehr Spaß gemacht hätte.

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