Dienstag, 10. April 2018
Tommi Kinnunen „Wege, die sich kreuzen“
Ausgehend vom Jahr 1895 erzählt der finnische Autor Tommi Kinnunen eine Familiengeschichte über mehrere Generationen. Im Vordergrund stehen drei starke Frauen, die jede für sich auf ihre Art ihren eigenen Weg zu finden sucht.

Beginnend mit Maria, die sich in einem kleinen Ort in Finnland als erste Hebamme etabliert. Gegen alle Widerstände der Gesellschaft und der allgemeinen Meinung, was Frauen zu tun und zu lassen haben oder wie sich Frauen benehmen sollten, macht sich Maria einen Namen als Geburtshelferin; weit über die Grenzen des Dorfes hinweg. Die junge Frau befreit sich von allen Konventionen, ist selbstständig in ihrem Beruf, zieht ihre Tochter Lahja alleine auf und schafft sich mit dem Anbau ihres Hauses ein sicheres Nest. Und, obwohl auch das sich für eine Frau nicht ziemt, entledigt sie sich bald ihres Korsetts, um mit dem Fahrrad als mobile Hebamme unterwegs zu sein.

Erwachsen geworden gilt Lahja ebenfalls als besonders unangepasste Person, hat sie doch Eigenwille und Selbstständigkeit von ihrer Mutter gelernt. Auch sie wird früh schwanger, der Vater des Kindes setzt sich aber noch vor dem Krieg nach Amerika ab. Fast widerwillig, aber um nicht wie ihre Mutter ein Leben lang ohne Mann zu bleiben, heiratet sie den schüchternen Onni. Dieser erweist sich als guter Ehemann. Er nimmt nicht nur Anna als sein eigenes Kind an, sondern unterstützt auch seine Frau bei dem Wunsch Fotografin zu werden. Später wird es ein kleines Atelier im Haus geben. Doch dann beginnen der Krieg und eine schwierige Zeit. Nach der Evakuierung und der Zerstörung des gesamten Ortes ist es Onni, der 1946 das Heim der Familie tatkräftig wieder aufbaut. Noch drei weitere Kinder wird das Ehepaar in den nächsten Jahren bekommen und mit jedem wächst das Haus. Gleichsam aber entfernen sich Lahja und Onni voneinander.

Mitte der 1990er Jahre ist es Kaarina, die Schwiegertochter, die sich ihren Platz im Leben hart erarbeiten muss. Neben den Kindern und dem großen Haus, das Jahr um Jahr an Größe zugenommen hat, kümmert sie sich um die kranke Lahja. Dieser fällt es schwer, sich nicht in das Leben der jungen Leute einzumischen und führt nach wie vor ein strenges “Regiment“. Am Ende eines schwierigen Lebens droht sie ein Familiengeheimnis mit ins Grab zu nehmen, fände Kaarina nicht die alten Briefe ihrer Schwiegereltern auf dem Dachboden.

In größeren zeitlichen Abständen wird uns hier eine äußerst interessante Geschichte erzählt, die über 100 Jahre hinweg reicht. Der Autor nimmt den Leser mit in die Tiefe einer ungewöhnlichen Familie. Ein großes Geheimnis allerdings, obwohl immer wieder angedeutet, wird erst im letzten Viertel des Romans offenkundig.

Sprachlich war ich doch etwas enttäuscht, und so interessant das Erzählte auch ist, so verliert sich der Autor oft in langen detailreichen Erklärungen und unnützen Dialogen, die mich das ein oder andere Mal gedanklich haben abschweifen lassen. Dennoch konnte ich am Ende über diese kleinen Schwächen hinwegsehen und das Buch als Zeugnis eines Jahrhunderts in Finnland und ein Plädoyer für Frauen empfinden, die schon in früheren Zeiten für ihre Rechte und ein selbstständiges Leben eingetreten sind.


*

... link (0 Kommentare)   ... comment


Besucherzähler Für Homepage