Mittwoch, 27. Februar 2013
Bethan Roberts: „Der Liebhaber meines Mannes“
Die Erzählung beginnt 1999: Marion, eine Lehrerin in Pension, holt gegen den Willen ihres Mannes Tom, den bettlägerigen Patrick ins Haus. Nach mehreren Schlaganfällen kann der weder sprechen noch sich fortbewegen. Marion pflegt ihn und erinnert sich an eine Zeit Ende der 50er Jahre, als sie ihren Mann und später Patrick kennengelernt hat. Denn er ist der Liebhaber ihres Mannes.

In schriftlicher Form spricht Marion ihren Gast an, schreibt alles auf, an das sie sich erinnern kann. Wie sie sich 1957 unsterblich in den großen Bruder ihrer besten Freundin Silvie verliebt hat. Um in seiner Nähe zu sein, lässt Marion sich von ihm das Schwimmen im Meer beibringen und ignoriert alle Bedenken, die Silvie ihres Bruders betreffend, äußert. Toms Zögern in Liebesdingen deutet sie als Zurückhaltung und Achtung vor ihr als Frau. Nach Jahren erst, Tom ist Polizist, Marion Lehrerin, heiraten sie. Wohl wissend, dass es da noch eine ganz andere Geschichte gibt.

Die erzählt Patrick in seinem Tagebuch. Von einer Zeit, den 60er Jahren in Brighton, England, in der Emanzipation lediglich eine Idee war, in der vorsichtig Gruppen gegen Atomkraft und die Politik zu protestieren begannen und in der Homosexualität noch als Unzucht bestraft wurde. In jener Zeit lernt Patrick „seinen Polizisten“ kennen und lieben. Doch er muss ihn teilen, das wird schnell klar.

Einfühlsam und keinesfalls voyeuristisch beschreibt Bethan Roberts dieses überaus erschütternde wie unglaubliche Zeitgeschehen. Die Perspektivenwechsel zwischen Marion und Patrick geben diesem Roman eine besondere Note und sorgen dafür, dass der Leser den Protagonisten immer einen Wissensschritt voraus ist. Tom kommt nicht zu Wort; vielmehr ist er der Spielball zwischen den beiden Konkurrenten. Man spürt die Zerrissenheit beider. Auf einer Seite eine gewisse Wertschätzung, ja sogar Verständnis, auf der anderen eine unbändige Eifersucht und Wut, die auf dramatische Weise ihren Lauf nimmt. Die Charakteristik Marions, die die Neigung ihres Mannes partout nicht sehen will und alle Hinweise darauf so lange umgeht, bis sie fast daran zu zerbrechen droht, ist so grausam wie menschlich. Wie lange kann ich mich selbst verleugnen? Diese essenzielle Frage scheint im Mittelpunkt der Leben aller beschriebenen Figuren zu stehen.

Ein großer Roman über Obsession, Sühne und eine menschenverachtende Zeit. Dieses Buch lässt einen so schnell nicht los!

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