Dienstag, 21. November 2017
Oliver Bottini „Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens“
2014. Die östlichen Regionen Deutschlands und Europas sind weiterhin im Wandel begriffen. Während die neue demokratische Regierung Rumäniens noch damit beschäftigt ist, die ehemaligen Verbindungsmänner Ceausescus zu finden und vor Gericht zu stellen, werden weiterhin die riesigen Agrarflächen, die den Bauern eigen waren, an meistbietende Investoren aus dem Ausland verschachert. Und während die einen sich in die großen Veränderungen einzufügen versuchen, halten andere an ihrem Protest fest, kämpfen weiterhin gegen die Vermarktung ihres Landes, gegen Globalisierung und Monokulturen.

Jörg Marthens, Agrarwirt aus Prenzlin, hatte sich recht bald nach der Wende schon seinen Traum eines großen Betriebes erfüllt. Mit Frau und Tochter war er nach Rumänien gekommen und hatte damals viele Hektar Ackerland einigen Bauern abgekauft, die Böden neu aufgearbeitet, um im großen Stil anzubauen. Den Landwirten und ihren Familien sicherte er Arbeitsplätze in seinem Betrieb zu. Etwa 15 Jahre später ist er längst einer der Großindustriellen und die Landpreise sind ins unermessliche gestiegen. Trotz großzügiger Angebote von Österreichern, Arabern und Libanesen lehnt er einen Verkauf ab und geht seinen Weg.

Dann wird seine Welt plötzlich auf den Kopf gestellt. Seine Tochter Lisa wird Opfer eines Verbrechens. Vergewaltigt und mit etlichen Messerstichen zugerichtet wird die junge Frau tot am Seeufer in der Nähe des großen Hofes gefunden. Ihr jugendlicher Freund Adrian ist seitdem verschwunden.

Ioan Cozma indessen ist bei der Kriminalpolizei fast am Ende seiner Karriere angelangt. Er und sein Kollege Cippo „fahren einen ruhigen Gang, überlassen gerne das Feld den Jüngeren“. Doch dann werden sie auf diesen Mordfall an einer Deutschen angesetzt und müssen sich fragen, warum ausgerechnet sie ausgewählt wurden. Widerwillig nehmen sie also noch einmal die Fährte nach einem Mörder auf, und danach, später, das haben sie sich geschworen, werden sie eine gemeinsame Kreuzfahrt unternehmen.

Dem Autor Oliver Bottini gelingt es in diesem Krimi nicht nur, mir die politische Situation in der Post-Ceausescu-Ära sachlich näher zu bringen, sondern zeigt an menschlichen Tragödien die Folgen, die die Globalisierung den Menschen, nicht nur in Rumänien, beschert hat. Die meisten seiner Figuren sind Betroffene und Geschädigte, in der einen oder anderen Weise, und nicht immer lässt sich Gut und Böse so klar voneinander trennen. Taucht tief in ihr Seelenleben ein und lässt sie auf diese Weise authentisch werden.

Die komplexen Geschehnisse werden von verschiedenen Perspektiven aus mit viel Einfühlungsvermögen beleuchtet. Am Ende bezieht der Autor aber auch ganz klar Stellung. Und das ist gut so! Denn Oliver Bottini hat etwas zu sagen, hat eine Meinung und scheut sich nicht, den Finger in eine große Wunde zu legen. Denn obwohl es oberflächlich nach großem Wandel aussieht, ist mit Korruption, Intrigen und Unterdrückung vieles geblieben wie es war; im Buch „die rumänische Krankheit“ genannt.

Keine Zeit wird dem Leser gewährt, sich langsam in die Geschichte einzulesen, sondern der Autor wirft ihn mit voller Wucht in eine Geschichte, die an rasanter Spannung keinen Moment nachlässt bis zum Ende des Buches. Sprachlich meiner Meinung nach noch weiter entwickelt, flüssiger geworden; die Sätze weicher, emotionaler und atmosphärischer, macht es den Roman für mich zum großen Leseerlebnis.

Nur selten in einem Krimi bewahrheitet sich der Spruch: „Lesen gefährdet die Dummheit! “ Nach dieser Lektüre allerdings, ist sie nicht nur gefährdet, sondern gar ein Stück gewichen. Vielen Dank Oliver Bottini!



Ebenfalls hier im Blog:
Oliver Bottini:“ Im weißen Kreis“
Oliver Bottini „Ein paar Tage Licht“


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