Samstag, 16. September 2017
John Banville „Die blaue Gitarre“
„Glückliche Traurigkeit, trauriges Glücklichsein, die Geschichte meines Lebens, meines Liebens.“(Zitat Seite 154)


Wie gerne lesen wir Bücher mit sympathischen heldenhaften Protagonisten; wie gerne identifizieren wir uns mit diesen Figuren, die auf eine Art und Weise beschrieben werden, wie wir es selbst niemals könnten. Doch nicht so im neuen Roman von John Banville. Er lässt hier einen Charakter entstehen, so wie wir nicht sein wollen, wie wir hoffentlich nie zu handeln gedenken und wie wir auf keinen Fall auf andere wirken mögen. Soviel vom Ich-Erzähler dieses Buches: ein Unsympath erster Klasse.

Oliver ist Maler, bzw. ein gescheiterter Maler, dessen Leidenschaft nun dem Diebstahl gilt. Er liebt es kleine, für ihn nichtige Dinge zu stehlen und den Bestohlenen anschließend insgeheim zu verhöhnen.

„Keine Stille ist so still wie die Stille, die einem Diebstahl beiwohnt. Wenn meine Finger nach einem begehrten Dingelchen langen,[……], dann wird für einen Lidschlag alles still, als ob die Welt vor Schreck und Staunen über die schiere Dreistigkeit der Tat den Atem anhält.“(Zitat Seite 56)

Er ist ein unangenehmer Geselle. Vordergründig macht er den Leser glauben, ein äußerst gewitzter Kerl zu sein. Er parliert über seine verhinderte Karriere, protzt mit seiner Geschicklichkeit beim Stehlen, verliebt sich in die Frau seines besten Freundes und ergötzt sich an dessen Liebeskummer und Leid. Lässt an keinem anderen auch nur ein gutes Haar, verabscheut weinende Frauen, äußert sich über jeden anderen, sich selbst übrigens auch, herablassend und unverschämt, macht sich über Aussehen und Äußerlichkeiten lustig. Unter dieser Oberfläche aber, dass wird dem Leser bald klar, ist Oliver ein Feigling und ewiges Kind geblieben, hat Angst im Dunkeln und vor der Höhe, stellt sich keiner Verantwortung und zieht es vor, zu fliehen, sobald er in Schwierigkeiten zu geraten droht.

Der Protagonist ist ein geschwätziger kleiner Typ, der sich beim Erzählen über sich selbst hin und wieder um Kopf und Kragen redet. In einem endlosen Monolog schwadroniert er und philosophiert, redet über all die „Bredouillen“, in die er unentwegt gerät. Zuhören ist nicht seine Stärke, und so entgeht ihm so einiges in seinem Umfeld. Zu sehr auf sich selbst und seine Affäre mit Polly konzentriert, entgeht ihm, was er Anderen mit seinem Verhalten zumutet und um ihn herum geschieht.

Banvilles Sprache ist außergewöhnlich, auf höchstem Niveau und die einer Künstlerseele gemäß. Die Geschichte des Ehebruchs, die wahrscheinlich hundertfach in der Welt erlebt wird, hat mich trotz aller Antipathie Olivers gegenüber (vielleicht hat man sogar am Ende noch etwas übrig für ihn?), in einen unglaublichen Bann gezogen. Immer wieder habe ich nach dem Buch gegriffen und Alltag und wirkliche Welt beiseitegelassen. Eine Weile hat es gedauert, mich an die Sprache zu gewöhnen und bis ich zuordnen konnte, in welche Zeit der Autor die Geschichte ansiedelt (vermutlich etwa um die Mitte des letzten Jahrhunderts). Das ist zunächst interessant, obwohl völlig gleichgültig. Denn wo es um die Menschen geht, ihre undurchdringlichen Persönlichkeiten, da scheint Zeit lediglich eine untergeordnete Rolle zu spielen. Liebe, Betrug und Unehrlichkeit, Unberechenbarkeit und Egoismus wird es sicherlich immer geben.

Wird sich der Mensch jemals ändern? Diese Frage stelle ich mir jetzt nach Lektüre dieses Romans über Kunst, Liebe und alltägliche Widrigkeiten.


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