Montag, 30. Dezember 2013
Hakan Nesser „Himmel über London“
Leonard Vermin plant seinen 70sten Geburtstag in London zu feiern. Also reist er mit seiner amerikanischen Lebensgefährtin Maud schon Tage vorher an, um alles vorzubereiten. Nur wenige Einladungen sind verschickt; unter anderem an die Kinder von Maud, die auf ein großes Erbe hoffen. Denn Leonard ist vermögend und sterbenskrank, ohne dass ihn für beides irgendeine Schuld trifft, wie er selbst sagt. Auch in einem ganz anderen Teil der Welt erhält ein junger Mann eine Aufforderung vom ihm unbekannten „Gönner“, an dieser Feierlichkeit teilzunehmen.

Das könnte jetzt eine ganz einfach erzählte Geschichte werden, kennt man Hakan Nesser nicht. Denn bei ihm ist nichts einfach nur so erzählt. Er sitzt jedem seiner Figuren dicht im Nacken und erzählt aus unterschiedlichen Perspektiven und Zeitebenen. Ab und an versorgt er den Leser mit kleinsten Andeutungen, gibt ihm so einen Wissensvorsprung gegenüber seinen Protagonisten. So gelingt es dem Autor, die Spannung bis zum Ende zu halten. Stein für Stein setzt sich hier ein Puzzle zusammen.

Jede der Figuren scheint in eigene Widrigkeiten verstrickt zu sein. Leonard erinnert sich zum Beispiel dank seiner Aufzeichnungen in einem gelben Notizbuch an seinen früheren Besuch in London in den späten 60er Jahren. Da hat er Carla kennengelernt, seine große Liebe; eine tschechische Spionin, die ihn in seine Machenschaften hineingezogen hat. Irina, die Stieftochter versucht einen Unfall in der Vergangenheit zu verdrängen und Gregorius, der Bruder, hat im Geiste schon Millionen geerbt.

Bis es zum großen Fest kommt, geht also noch einiges vor im kühlen London. Nicht nur, dass es zu einem heftigen Unwetter kommt, ein Mörder zur selben Zeit in der Stadt sein Unwesen treibt, ein Notar wichtige Unterlagen vorbereitet und es Leonard zusehends schlechter geht. Ein weiterer Protagonist taucht in der Geschichte auf: der Schwede Lars Gustav Selen, der einen größeren Einfluss auf die Geschehnisse nimmt, als man es für möglich hält.

In diesem Roman gelingt Hakan Nesser eine Vermischung von Wahrheit und Lüge. Zwischen Fiktion und Wirklichkeit weiß der Leser kaum zu unterscheiden. Mit einem genialen literarischen Schachzug, der für die stilistische Gerissenheit und die Intelligenz des Autors spricht, bringt der den unerschütterlichen Glauben des Lesers an eine einzige Wirklichkeit ins Wanken. Dass ICH mich beim Lesen leicht an der Nase herumgeführt gefühlt habe, ist sicherlich meiner naiven Leichtgläubigkeit geschuldet. „…das musste im Namen der Ehrlichkeit zugegeben werden.“ (Buchzitat Seite 528)

Bei allem Lob hat Hakan Nesser aber doch schon weit Besseres geliefert! Trotzdem lesenswert!

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