Dienstag, 3. Februar 2015
Bodo Kirchhoff: „Verlangen und Melancholie”
Der fast 60-jährige Hinrich, einst Journalist einer großen Zeitung, lebt in Frankfurt. Er ist Witwer seit seine Frau Irene vor einigen Jahren den Freitod gewählt hat. Bei einsamen Streifzügen durch die Stadt ergeht er sich in Grübeleien über das Leben und sucht nach Beweggründen ihres Handelns.

Wo er auch geht und steht, sieht er seine Irene vor seinem inneren Auge, den Menschen, der ihn ein Ganzes hat sein lassen. Aber es gab auch eine Zeit da hatte er sie fast verloren wegen einer Affäre mit Marianne. Immer wieder tauchen Erinnerungen auf, mal an die gemeinsamen Reisen nach Italien, die vielen Besuche in den Frankfurter Museen und die gemeinsam verbrachten zärtlichen Nächte. Hinrichs langweiliger Alltag wird nur unterbrochen von seinem Enkel Malte, dem er mit seinem Wissen über Kultur und Geschichte durchs Abitur hilft.

Eines Tages findet Hinrich im Briefkasten einen schwarzumrandeten Brief, einen Trauerbrief. Ein ungutes Gefühl bestärkt ihn darin, diesen Brief in einer Schublade verschwinden zu lassen, die verschiedentliche Utensilien seiner Frau enthält. Als er dann eine junge Polin kennen lernt, gerät der Brief zunächst in Vergessenheit. Seine Suche nach Liebe und Nähe scheint nun ein Ende zu haben, da Zusan sich nicht nur um den Haushalt kümmert, sondern auh um die Bedürfnisse des Witwers selbst. Natürlich gegen ein kleines Taschengeld. Die Tage vergehen nur schleppend und beim Blättern in einem der letzten Bücher, die Irene übersetzt hat, fällt ihm eine kleine Notiz in die Hände. Eine Notiz, die ihn beunruhigt und ihn zweifeln lässt, wie gut er seine Irene wirklich gekannt hat.

Später in der Geschichte begibt sich Hinrich auf einer Reise nach Polen, und kommt dort nicht nur einem Geheimnis seiner Frau auf die Spur, sondern öffnet auch endlich den schwarzumrandeten Brief. Danach wünschte er, ihn nie erhalten zu haben.

Bodo Kirchhoff schreibt über die Liebe wie kaum ein anderer Autor, anrührend und schön ohne trivial zu werden. Auch seiner Liebe zu seiner Heimatstadt Frankfurt gibt der Autor Ausdruck, indem er die Stadt nicht nur als Finanzmetropole beschreibt, sondern der Kultur und den vielen Museen huldigt. Er lässt seinen Protagonisten über Literaten und Künstler gleichermaßen philosophieren wie über Politik und aktuelles Weltgeschehen. Unglaublich wie Kirchhoff es vollbringt, eigene Gedanken und Gefühle in kurzen knappen Sätzen zu formulieren, für die man selbst nie Worte gefunden hätte. Er verwebt Gewesenes und die Gegenwart in wenigen Sätzen, springt in Gedanken hin und her und bleibt dennoch klar in seiner Aussage.

Der Roman ist nichts für hastige, ungeduldige Leser; stattdessen begibt man sich ganz und gar mit dem Autor tief in das unaufgeregte Leben des Protagonisten. Bodo Kirchhoff ist ein Meister darin, Vieles zu sagen, und doch liegt das Wichtige und Reizvolle im Unausgesprochenen, nicht Gesagten oder den Worten zwischen den Zeilen. Das muss man ihm erst einmal nachmachen!

Ein bisschen Melancholie sollte man zum Lesen dieses Buches aber schon aushalten können ;-)

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