Mittwoch, 13. November 2013
Claire Beyer „Refugium“
Wo ist Robert? Das ist die Frage der Fragen in diesem Roman. Gerade noch als Testfahrer in Schweden, ist Robert plötzlich verschwunden. Mit ihm das Fahrzeug. Claudia und er führen seit langem schon eine Wochenendehe. Er verbringt mehrere Wochen in Nordschweden im Testzentrum für Automobilwirtschaft, sie wohnt in Deutschland. Seit dreißig Jahren sind sie verheiratet, haben zwei erwachsene Söhne und sich mit der Zeit etwas auseinander gelebt. Trotz Flugangst fliegt Claudia in den kleinen Ort ins winterliche Skandinavien, um den Arbeitgeber und die Polizei bei den Ermittlungen zu unterstützen. Handelt es sich um Industriespionage oder hat Robert sie einfach still und heimlich verlassen?

Sie kommt bei Birgitta unter, einer Freundin des Firmenchefs. Die Ermittlungen verlaufen sehr zögerlich und Claudia wird erst hier bewusst, wie wenig sie über das Leben ihres eigenen Mannes in seiner zweiten Heimat weiß. Nie hat sie ihn besucht oder je seine Wohnung betreten. Und anstatt die Suche zu forcieren, verhält sie sich merkwürdig passiv und lässt sich treiben. Während des Wartens auf Neuigkeiten freundet sich Claudia mit Birgitta an. Robert tritt gedanklich in den Hintergrund.

Unter anderem diese Tatsache ist für mich als Leserin sehr unverständlich; trotz Entfremdung zum Ehemann. Claudia unternimmt nichts, fragt nichts, sagt nichts. Zudem gibt die Autorin allen Figuren eine ausgeklügelte Vita; alle haben ein schweres Schicksal hinter sich, was sie mehr und mehr unglaubwürdig erscheinen lässt. Das Buch kommt leider erst in den letzten zwanzig Seiten so etwas in Fahrt; bis dahin ist die Geschichte schmucklos und unbedeutend. Landschaftsbeschreibungen wirken einem Reiseführer entnommen und bleiben klischeehaft. Der Leser wird Zeuge von uninteressanten Gesprächen zwischen den beiden Frauen, die mit Zitaten und Weisheiten geradezu jonglieren. Vielleicht liegt es an Sätzen wie:

„Mankell und Lindgren sind wie Yin und Yang“

oder

„Der Sonnenwind ließ sich fortwährend neue Szenerien einfallen, jagte als Choreograf sein Ballett in alle Himmelsrichtungen, peitschte es über das Schwarz der Nacht, als wolle er zeigen, wer der Meister ist; die Tänzer gaben ihr Bestes und fanden in bizarren Bildern unermüdlich neu zusammen. Trolle und Kobolde, Elfen, Mensch und Tier konnten, angesichts eines solchen Ausmaßes unbändiger Wucht über sich, erahnen, erfühlen oder in Demut verstehen, wie winzig sie waren“

die mich zu meinem Urteil veranlassen. Sie wirken zu sehr konstruiert, bemüht und angestrengt. Trivial und allzu pathetisch!

Aber eines muss ich Claire Beyer zugutehalten: Die Frage nach Robert ist letztendlich gut gelöst; der wirklich überzeugendste und spannendste Teil des Romans.

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