Donnerstag, 12. Oktober 2017
Edward Docx „Am Ende der Reise“
Lou hat sich bereit erklärt, seinen kranken alten Vater auf seine letzte Reise zu begleiten. Ziel der beiden soll Zürich sein, denn nur dort in der Schweiz ist die begleitende Sterbehilfe erlaubt. Sie machen sich also auf den langen Weg von England aus. Reisegefährt ist der ebenso alte wie hinfällige VW-Bus, mit dem die Familie einst ihre Campingurlaube verbracht hat. Lou ist der jüngste Sohn der Familie Lasker aus zweiter Ehe. Geplant ist, dass die beiden älteren Halbbrüder, Jack und Ralph, unterwegs dazu kommen. Zunächst läuft alles sehr harmonisch, da Lou uneingeschränkt hinter dem Todeswunsch seines Vaters zu stehen scheint. Als nach und nach die beiden anderen Söhne sich den beiden anschließen, schlägt die gute Stimmung um. Es kommen Ereignisse an die Oberfläche, die für den einen oder anderen besser im Verborgenen geblieben wären. Aus manch einer Familienerinnerung werden schnell Vorwürfe, statt unterstützender Begleitung folgen Zurechtweisungen und Überredungsversuche. Denn nicht jeder kann die Entscheidung des Vaters verstehen oder ist gar bereit, sie zu dulden. Also wird diskutiert, philosophiert, gestritten, sich an Gutes und Schlechtes erinnert und versucht, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Und langsam scheint sich die Familienstruktur zu verändern, plötzlich sind alle aufgeschlossen, es wird über alles geredet, kein Blatt mehr vor den Mund genommen, jeder kann ehrlich sein, ohne noch irgendwelche Folgen befürchten zu müssen.

Jeder der vier Figuren in diesem Roman steht für seine eigene Sichtweise zur Sterbehilfe. Während Lou sich eher anpasst und eine eigene Meinung dazu noch nicht wirklich gefunden hat, Jack absolut kein Verständnis aufbringen kann und sich vehement weigert den gemeinsamen Weg bis ans Ende zu gehen, versucht sich Ralph mit Sarkasmus und Ironie weiterzuhelfen. Und dann bleibt der Betroffene selbst, der wenig zum allgemeinen Verständnis der familiären Lage beiträgt und stattdessen Besichtigungen, Wein und gutes Essen wie ein Tourist genießt.

Ein wirklich interessantes und wichtiges Thema, dem sich der Autor annimmt. Dennoch konnte mich die Umsetzung nicht überzeugen. Zu klischeehaft und oberflächlich erscheint mir persönlich die Art und Weise des Umgangs damit. Für Leser, die sich nur wenig oder noch nie mit „unterstützendem Suizid“ beschäftigt haben, mag der Roman als Hilfe zur Meinungsbildung gelten. Für mich persönlich hätte es gern tiefgründiger sein können.

Sprachlich bewegt sich der Autor auf leichten erzählerischen Pfaden, was unter Umständen auch der Übersetzung aus dem Englischen geschuldet sein kann. Zu umgangssprachlich; manche Dialoge und Argumentationen wie zum Beispiel “weil das Leben ein Wunder ist“ oder „du wendest dich damit gegen die Schöpfung“ sind mir persönlich zu oberflächlich und seicht. Eigentlich sollte es hier Emotionen nicht mangeln, doch wenn gesagt wird: “ich wurde mit Gefühlen überschwemmt“ (Zitat Seite 117), kommen diese Gefühle beim Leser nicht an, weil diese als Aufzählung lediglich Worte auf Papier bleiben. Da springt der Funke nicht über. Erst zum Ende der Geschichte hin wurde das der Roman etwas eindringlicher.

Doch bei all dieser Kritik hat mich das Buch am Ende doch sehr nachdenklich gemacht und mich dazu gebracht, mir die vielen aufkommenden Fragen nach der Selbstbestimmung des Sterbens noch mal vor Augen zu führen. Und ich danke Edward Docx dafür, dass er sich nicht gescheut hat, sich des Themas, das doch sehr gerne in der Öffentlichkeit verschwiegen wird, angenommen zu haben.


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