Samstag, 19. Mai 2018
Sarah Schmidt „Seht, was ich getan habe“
In ihrem ersten Roman widmet sich die australische Autorin Sarah Schmidt dem wohl berühmtesten amerikanischen Kriminalfall, dem „Fall Lizzie Borden“. Sie schafft es, mit einem Quäntchen Fiktion gespickt, ein neues Bild auf das grauenhafte Verbrechen am 4. August 1889 zu werfen; lässt die Geschehnisse noch einmal aufleben. Das gelingt ihr so gut, dass es beim Lesen schien, als sei ich hautnah dabei gewesen, manchmal ZU nah. Aber vorerst zur Geschichte:

In einer Kleinstadt in Massachusetts werden der Geschäftsmann Andrew Borden und seine zweite Ehefrau Abby tot in ihrem Haus aufgefunden. Den Leichen brutal zugefügten Verletzungen zufolge wird eine Axt als Tatwaffe in Betracht gezogen. Im Haus sowie im gesamten Ort Fall River bleibt für eine Weile die Zeit stehen, und die ganze Aufmerksamkeit gilt dem toten Ehepaar.

Offene Fragen zum Fall versucht die Autorin anhand fünf beteiligter Personen, der man jeder einzelnen ein Tatmotiv anlasten könnte, zu klären.

LIZZIE BORDEN; die jüngere der beiden Töchter, findet ihren Vater ermordet im Wohnzimmer. Bei der Befragung durch die Polizei benimmt sie sich äußerst merkwürdig, zupft an ihrem Kleid, massiert ihren Kopf, isst unentwegt Birnen und kann sich ein ums andere Mal das Lachen nicht verkneifen. Zunächst bleibt unklar, ob sie unter einem Schock leidet oder ob sie wirklich so abgebrüht ist, wie sie vorgibt zu sein.
EMMA BORDEN, die ältere Schwester, befindet sich zur Tatzeit nicht vor Ort; sie wird rasch nach Hause beordert. Sie war seit dem Tod ihrer leiblichen Mutter Haltepunkt, aber auch Blitzableiter für die jüngere Lizzie. Sie fühlte sich lange schon eingeengt und hätte gerne das Elternhaus schon längst verlassen.
BRIDGET, das Hausmädchen der Familie, stammt aus Irland und fühlt sich als Angestellte im Haus ausgenutzt, schlecht bezahlt. Sie leidet an ständigem Heimweh. Ihre Ersparnisse wurden ihr von der Hausherrin gestohlen.
JOHN, Onkel der beiden Mädchen und Bruder der verstorbenen ersten Mrs Borden, ist am Tag des schrecklichen Zwischenfalls zu Besuch, aber nicht im Haus, als die Morde geschehen. Er sorgt sich angeblich um das Wohlbefinden seiner Nichten, die dem Unbill des strengen Vaters ausgesetzt sind; das Vermögen der Bordens stets im Hinterkopf.
BENJAMIN, der Schurke in diesem Kriminalstück, der mit Sicherheit die größte kriminelle Energie von allen aufweist. Gewaltbereit und auf seinen eigenen Vorteil bedacht geht er durch die Welt und lässt jeden seine Wut spüren, die eigentlich seinem Vater gilt, der ihn, Benjamin, um Liebe und Geborgenheit betrogen hat.

Sie alle kommen zu Wort und erzählen die Geschichte aus eigener Sicht, geben zudem viel Persönliches von sich preis und sorgen dafür, dass der Leser tiefste Einblicke in jeden der Charaktere erhält. Diskrepanzen zwischen Sein und Schein kommen zutage.

Zart besaiteten Lesern sei jedoch verraten: Gespart wird hier nicht mit Beschreibungen grausiger Details wie Erbrochenem, Blutlachen und zerstückelten Leichenteilen, anhand derer Arzt oder Apotheker von jeglicher Nahrungsaufnahme während der Lektüre abraten würden. Gerüche von Hammelbrühe, Schweiß und schlechtem Atem liegen förmlich in der Luft. Mit überaus „lebendiger“ Sprache und zeitgemäßem Ausdruck wird der Leser mit allen Facetten menschlicher Vorstellungskraft ins Ende des 19ten Jahrhunderts katapultieret. Ein zusätzlicher Thrill Effekt entsteht durch Wiederholungen kleinster Zutaten wie: „…und die Uhr auf dem Kaminsims tickte und tickte.“

Ein Krimi in dunkelster Atmosphäre herausragend erzählt und in Szene gesetzt!

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Der wahre Fall


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