Donnerstag, 1. September 2016
Bodo Kirchhoff: „Widerfahrnis“
Zwei Menschen, die sich zunächst gänzlich fremd sind, reisen in einem kleinen Auto Richtung Süden. Wie ist es wohl dazu gekommen? Folgendermaßen:
Leonie Palm, ehemalige Besitzerin eines Hutladens steht eines Abends unvermittelt vor Julius Reithers Tür. Er, früherer Inhaber eines Verlags, bittet sie herein und das eher karge Gespräch entwickelt sich zu der Idee, mitten in der Nacht mit ihrem Cabrio einen Ausflug zu machen. Bis zum Sonnenaufgang soll gefahren werden. Allmählich, fast nebenbei, kommen sich die beiden näher.

Als Leser werden wir mit hineingezogen in diese Erzählung. Sitzen mit im Auto und werden Zeuge dieses Näherkommens der Protagonisten auf dem Weg zwischen Bozen und Bari; sind ganz nah dabei, wenn aus einem „Allein-Sein“ ein “Zu-zweit-Sein“ wird; aus der Mitreisenden eine Freundin und aus dem kalten Deutschland ein bereits warmes Italien. Doch auch diese Liebesgeschichte, wenn man sie denn so nennen will, wird überschattet vom Leben selbst, von der Welt und der Gesellschaft, wie sie sich momentan zeigt. Bodo Kirchhoff kommt nicht umhin, seine beiden durch die Lande reisen zu lassen, ohne den immer größer werdenden Strom Flüchtlinge in die Geschichte einzubringen. Und so nimmt die Reise ihren Lauf.

Sprachlich bleibt der Autor bei seinem gewohnten Stil: einem “kirchhoffisch“, wie ich es gerne nenne. Da kann auch mal auf kleine Worte verzichtet werden, ohne dass das Gesagte an Bedeutung verliert. Ein zwischendurch sparsames Erzählen löst ab und an ausführliche Beschreibungen ab, ohne Tiefgründigkeit einzubüßen. Auch in diesem Buch von Bodo Kirchhoff finden sich Sätze, wie nur er sie schreibt; Figuren, die anfangs nicht leicht zu durchschauen sind und die auch der Leser noch kennenlernen muss. Und immer schwingt in allem eine geradezu melancholische Stimmung!

Seit Kirchhoffs letzten beiden Romanen, auf deren Rezensionen ich am Ende verweisen werde, bin ich regelrechter Fan von diesem Autor geworden. Und ich wurde ein weiteres Mal nicht enttäuscht.

Mit diesem Titel ist Bodo Kirchhoff in diesem Jahr für den Deutschen Buchpreis 2016 nominiert!

Ebenfalls in diesem Blog rezensiert:
Bodo Kirchhoff: „Verlangen und Melancholie”
Bodo Kirchhoff „Die Liebe in groben Zügen“


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